"Wer bereits als Kind die Welt zwischen den Zeilen für sich entdeckt, geht auch später gern als Abenteurer durchs Leben." {Creativity First}

Samstag, 1. September 2012

[Rezension] Hinter dem Mond (Wäis Kiani)

Wäis Kiani: Hinter dem Mond 

Das Rezensionsexemplar dieses Buches flatterte mir durch eine Leserunde bei LovelyBooks ins Bücherregal. 
Der von Hoffmann und Campe verlegte Roman erzählt die bewegende und vielschichtige Geschichte der jungen Perserin Lilly, die aus einer heilen Welt herausgerissen wird, um nach Teheran - was gleichzusetzen ist mit "hinter dem Mond" - zu ziehen.
Ich habe das Buch gern gelesen, auch wenn es mich in gewisser Hinsicht doch überrascht hat. Ehrliche Einblicke in die (uns Europäern) fremde Kultur hatte ich erwartet, ebenso die vielen Emotionen. Doch der angeschlagene Ton und die nicht vorhandenen menschlichen Werte hätte ich so nicht erwartet. Nichtsdestotrotz oder gerade deshalb eine Reise, die sich lohnt!


~ Rezension ~

Zwischen zwei Welten

1970er Jahre, Ostfriesland: Die neunjährige Lilly lebt mit ihren persischen Eltern in einem ländlichen Idyll, in dem Kinder noch mit Schmutz an den Kleidern und Schürfwunden an den Knien zufrieden vom Spielen zurückkehren dürfen.
Doch dann verschlägt es das lebhafte Mädchen in eine vollkommen andere Welt, als ihre Eltern beschließen, zurück in den Iran zu ziehen. Dort herrschen strenge Sitten und für Lilly völlig befremdliche Umgangsformen. Die Sprache, das Essen, die Menschen – all das ist ihr zuwider, denn sie fühlt sich um den Luxus der eigenen Freiheit gebracht.
Ein politischer Umbruch, dessen Folgen die Bevölkerung – besonders die junge Generation – tief im Mark erschüttert, tut das Übrige, um Lillys Verachtung zu schüren.

Wäis Kiani kreierte mit Hinter dem Mond ein starkes Werk, welches von Gegensätzen nur so geprägt ist. Kulturen und individuelle Einstellungen prallen aufeinander.
Lilly wird als charakterstarke Hauptfigur gezeichnet. Als Leser fühlte ich einerseits sehr mit ihr, anderseits erschreckte mich ihre respektlose Haltung gegenüber Gott und der Welt. Ein Widerspruch, von dem das Buch lebt. Lillys Schicksal berührt und lässt einen zugleich den Kopf schütteln. Ihren Weg prägen Respektlosigkeit und Widerwillen kombiniert mit dem verwurzelten Wunsch nach Anerkennung und Geborgenheit.

Es ist besonders auffällig, wie sehr der oberflächliche Schein und das Streben nach Luxus im Vordergrund stehen, während das zwischenmenschliche Miteinander vorwiegend von verbalen und körperlichen Übergriffen dominiert wird. Die Sprache – sowohl die Situationsbeschreibungen als auch die Dialoge – spielen in diesem Buch daher in vielerlei Hinsicht eine tragende Rolle.

Der Autorin gelingt es, die Sicht eines widerwilligen Teenagers inmitten großer, rauer und interkultureller Kulisse authentisch aufzuzeigen. Die Darstellungen lassen den Leser des Öfteren ins Grübeln kommen. In Erinnerung werden vor allem die tiefe familiäre Feindseligkeiten sowie das Festhalten an trivialen Luxuswerten bleiben.
Weder Land noch Leute werden betont sympathisch gezeigt, doch gerade diese Tatsache gibt den Anstoß zum Nachdenken.

F★ZIT: Aufwühlend. Rebellierend. Unverhüllt.