"Wer bereits als Kind die Welt zwischen den Zeilen für sich entdeckt, geht auch später gern als Abenteurer durchs Leben." {Creativity First}

Dienstag, 25. April 2017

[Rezension] Alles, was Mädchen wissen sollten, bevor sie 13 werden (Heike Abidi)

Heike Abidi: Alles, was Mädchen wissen sollten, bevor sie 13 werden 

Ein Buch, mit dem Heike Abidi so etwas wie eine quirlig-sympathische Handreichung für die Teenager von morgen, also den ganz bald 13-Jährigen, verfasst hat. 

Temperamentvoll, aber auch mit deutlichen Worten der Selbstbestimmtheit geht die Autorin zu Werke und trifft damit den Zahn der Zeit.


~ Rezension ~

Jetzt also mal Butter bei die Fische!

Henriette hat eine große Leidenschaft: das Bloggen. Doch im Gegensatz zu vielen ihrer Altersgenossinnen gibt Henriette weder Beautytipps noch kommentiert sie die Lebensläufe der gerade angesagten Stars und Sternchen. Nein, der Teenager hat eine andere Mission, die einen klaren wissenschaftlichen Fokus hat. Sie nimmt nämlich das Erwachsenwerden genaustens unter die Lupe. Denn das erachtet sie als weitaus sinnvoller als ihre Meinung zum neusten Modetrend abzugeben, dessen Halbwertzeit ohnehin äußerst mager ausfällt.

In Alles, was Mädchen wissen sollten, bevor sie 13 werden vereint Autorin Heike Abidi auf bewährt unterhaltsame Art die Genres Jugendbuch und Ratgeber. Humor- und verständnisvoll spricht sie dabei nicht nur jungen Mädchen, sondern auch deren Eltern aus der Seele. 

Die Protagonistin und angehende Wissenschaftsjournalistin Henriette gewährt Einblicke in das Alltagsleben von Mädchen, denen sich die Tür des Teenagerseins gerade öffnet. Dass Henriette hierbei auf einen reichen Erfahrungsschatz zurückgreifen kann, versteht sich doch von selbst, oder? Ob lästiger Zoff mit den Geschwistern, Schmetterlinge im Bauch oder gekonntes Ins-Fettnäpfchen-Treten  Heike Abidi verleiht ihrer Hauptfigur eine Stimme, mit der sie reflektiert und aufschlussreich, aber nicht minder fidel aus dem Nähkästchen plaudert.

Einen absoluten Mehrwert erfährt das Buch meiner Meinung nach von dem raffiniert geschlagenen Bogen zwischen Fiktion und Realität. Denn die von Henriette aufgegriffenen Episoden und getroffenen Aussagen schaffen nicht nur Identifikationspotenzial, sondern sind wertvolle Wegweiser fürs reale Leben. Immer wieder streut die Autorin beispielsweise Links zu Internetseiten ein, die Aufklärung- und Informationsplattformen zu Themen wie Mobbing oder Berufsberatung bieten. 


Beschwingt und herrlich bildhaft spricht Heike Abidi ihr Leserpublikum direkt an und kreiert damit eine generationsübergreifende Nähe. Denn zum einen fühlen sich die Teenies absolut verstanden, zum anderen bleiben auch die Eltern nicht außen vor. Im Gegenteil. Gemeinsam wird der Weg der Selbstfindung der nun gar nicht mehr so Kleinen beschritten.

Henriette wird zu einem Charakter mit authentischen "Best Friend Forever"-Facetten. Die Botschaft des Buchs: "Erwachsen wird niemand von heute auf morgen. Es ist ein Prozess, der manchmal ein Hürdenlauf ist; der einen aber ebenso über sich hinauswachsen lässt."

FZIT: Aufschlussreich. Heiter. Dokumentarisch.


Dienstag, 11. April 2017

[Rezension] Zerbrechlich (Jodi Picoult)

Jodi Picoult: Zerbrechlich 

Wie fühlt es sich an, wenn wir glauben, das Richtige zu tun und dafür aber ein Trümmerfeld in Kauf nehmen müssen? Heiligt der Zweck wirklich um jeden Preis die Mittel? Und: Weshalb kann die Medizin einen gebrochenen Knochen heilen, einem gebrochenen Herzen hingegen wird diese Möglichkeit verwährt? All jene schattierten Fragen machen diesen Roman aus. Ein Buch, das mir einmal mehr vor Augen führt, weshalb Jodi Picoults Werke stets unter die Haut gehen.


~ Rezension ~

Wenn das Richtige falsch und das Falsche richtig scheint...

Als Charlotte und Sean O'Keefe ihre kleine Willow nach der Geburt das erste Mal sehen, steht die Welt still. In diesem Augenblick fühlen sie das größte Glück. Und stechendsten Schmerz. Denn ihr sehnlichst gewünschtes Baby wurde mit gebrochenen Knochen geboren. Willow hat Osteogensis imperfecta, die Glasknochenkrankheit. Die kleinste Erschütterung kann sie schwer verletzen. Fortan macht es sich Charlotte zur Lebensaufgabe, ihre Tochter vor allem Unheil dieser Welt zu beschützen. In einem Prozess gegen ihre Gynäkologin —ihre beste Freundin Piper— sieht Charlotte die Möglichkeit, für eine klein wenig Gerechtigkeit. Denn hätte Piper Willows Krankheit eher diagnostiziert, hätte Charlotte eine Wahl gehabt. Doch vor Gericht zu behaupten, ihre Tochter wäre besser nie geboren worden, lässt nicht nur Charlottes Herz brechen...

Jodi Picoults Roman Zerbrechlich kommt einem feinsinnigen Rammbock gleich. Einerseits berührt er zutiefst. Andererseits erschüttert er Grundfeste.

Fulminante Energien, bittere Abgründe und verwurzelte Schicksalshaftigkeit klopfen wie ein Herzschlag zwischen den Zeilen. Was geschieht, wenn eine Mutter und Vater nur das Beste für ihr geliebtes (schwer krankes) Kind wollen? Und vor allem: Was geschieht, wenn dieses "Beste" nicht ein und dieselbe Sache ist? Tränen fließen, Vertrauen wird auf die Probe gestellt und es bricht so viel mehr entzwei als die Knochen eines Mädchens, das einen mit ihrer durchdringenden Intelligenz und Tapferkeit schier beeindruckt.

Einmal mehr hebt Jodi Picoult eine emotional aufwühlende und zugleich kleinteilig recherchierte Kompetenz unter ihre Erzählung. Zum einen gewährt sie einfühlsam und ohne Berührungsangst Einblick die Krankenakte eines von Osteogensis imperfecta Betroffenen. Zum anderen zieht sie den Radius weiter: Was bedeutet diese Krankheit für die gesamte Familie des Erkrankten? Welche Verantwortungen gehen mit der Diagnose einher? Welche Pflichten obliegen dem Gesundheitssystem und der Gesellschaft?

Gänzlich gelungen ist das von Jodi Picoult heraufbeschworene Für und Wider. Sie (ver-)urteilt nicht. Doch sie legt den Finger in die Wunde und öffnet Augen. Während des Lesens konnte ich förmlich spüren, wie mich die Argumentationsketten der verschiedenen Protagonisten grübeln lassen. Ein Gefühl, das Verständnis dafür schafft, dass es im Leben kein einfaches Sein oder Nichtsein gibt. Schon gar nicht, wenn es darum geht, dass Eltern für das Wohl ihrer Kinder kämpfen.

Während die Gerichtsverhandlung im Mittelpunkt des Geschehens steht, gelingt es der Autorin, einen nicht weniger brenzlichen Nebenschauplatz zu kreieren. Denn auch Amelia, Willows Schwester, leidet. Auf ihre eigene, bedrohliche Weise. Amelia fällt die Rolle der Rebellin zu. Im Herzen wünscht sie sich jedoch nichts mehr als das, was ihre Mom für Willow erkämpfen möchte: Unterstützung und Sicherheit. Vor allem auf emotionaler Ebene.

In der Summe entspricht dieser Roman einem Kaleidoskop des Lebens. Manchmal sind wir es, denen wehgetan wird. Manchmal sind wir es, die anderen (unbewusst) wehtun. Manchmal gewinnen wir und verlieren trotzdem. Manchmal verlieren wir —vordergründig; und gewinnen dennoch— hintergründig.

FZIT: Bewegend. Filigran. Gewaltig.