"Wer bereits als Kind die Welt zwischen den Zeilen für sich entdeckt, geht auch später gern als Abenteurer durchs Leben." {Creativity First}

Donnerstag, 11. April 2013

[Schreibzeugkiste] Einen Knigge für den Erzähler?

Nachdem ich bereits etwas zur Wahl des Erzählers berichtet habe, möchte ich jetzt etwas näher auf das Erzählverhalten innerhalb einer Geschichte eingehen. Schließlich handelt es sich hierbei um ein Gestaltungsmittel, das den Erzähler ausmacht und die Perspektiven und den Fluss einer Handlung maßgeblich beeinflusst. Also Obacht, auch hier wird dem Autoren eine Karte in die Hand gegeben, die es auszuspielen gilt. 

Doch was bedeutet "Erzählverhalten" eigentlich? Gibt's hier tatsächlich so eine Art Knigge für die Etikette des Erzählers? 

Je nach Vorlieben und Anliegen des Autors kann hier wahlweise zwischen auktorialem, neutralem oder personalem Erzählverhalten gewählt werden. 

Wird dem Leser ein allwissender Erzähler präsentiert, der deutlich aus dem Erzählzusammenhang heraustritt und gegebenenfalls den Leser gar anspricht, handelt es sich um das auktoriale Erzählverhalten.
Berichtet der Erzähler hingegen wie ein außenstehender Beobachter, ohne dabei selbst Stellung zu beziehen oder gar emotionale Schilderungen in seine Äußerungen zu integrieren, so hat sich der Autor für ein neutrales Erzählverhalten entschieden.
Tritt der Erzähler allerdings hinter die handelnden Figuren zurück und wählt dabei sogar die Sicht der Charaktere und teilt deren Perspektiven, kommt ein personales Erzählverhalten zum Einsatz.

Ich denke, bei der Wahl des Erzählverhaltens kommt es darauf an, dass die Entwicklung des Handlungsstranges, die Präsenz der Figuren sowie die Atmosphäre des Gesamtkontextes sich nahtlos den Ball zuspielen. Möchte heißen, je nach Botschaft, die vermittelt werden soll, Beziehung, welche zum Leser gefestigt werden soll oder Grundtenor der Geschichte - vertraulich, distanziert, oberflächlich, tiefenscharf -, der unterstrichen werden soll, entscheidet sich der Autor für ein Erzählverhalten.

Bei mir geschieht dies sehr intuitiv und kristallisiert sich im Verlaufe der Arbeit heraus. Im Vorfeld mache ich mir natürlich Gedanken darüber, welche Grundhaltung mittels meiner geschriebenen Worte bestenfalls erfolgreich an den Leser herangetragen werden soll, doch zerbreche ich mir nicht den Kopf über die zahlreichen kleinen Details, die es am fertigen Text zu analysieren gibt. 
Das Gesamtpaket muss einfach einen stimmigen Eindruck machen und um dies einschätzen zu können, darf neben dem bewussten Gebrauch von gutem Handwerkszeug auch der gesunde Menschenverstand und das berühmt berüchtigte Bauchgefühl Ausschlag geben. 

Ein Beispiel vielleicht? Da ich selbst überaus gern emotionale Geschichten lese, schreibe ich diese auch bevorzugt. Diese gehen mir einfach recht unbeschwert von der Hand. In diesem Falle bietet sich ganz offensichtlich das personale Erzählverhalten an, auch die auktoriale Perspektive wäre passend, doch ein neutrales Verhalten seitens des Erzählers empfinde ich persönlich in einem derartigen Kontext als wenig ansprechend, authentisch und aussagekräftig. Irgendwie plausibel, oder?

Prima, nun, da wir das erläutert und geklärt hätten, wünsche ich euch fröhliches und eifriges Erzählen - ganz egal welches Verhalten ihr dabei am allerliebsten an den Tag legen mögt. Jeder hat diesbezüglich sicher die eine oder andere begründete Lese- und Schreibpräferenz.