Wer Geschriebenes von Ellen Dunne liest, weiß auf Anhieb, aus welchen richtigen Gründen diese Frau als Schriftstellerin — neben all den anderen beruflichen Verpflichtungen, denen sie nachkommt — arbeitet. Denn sie brilliert nicht nur durch eine, wie ich finde, mitreißende Bildhaftigkeit in ihrer Schriftsprache, sondern setzt Impulse, die Spuren hinterlassen.
Sie scheut nicht davor, in eine Art Schattenwelt abzutauchen. Gerade das Kontroverse, das Polarisierende, das die Menschen Bewegende ist es, womit Ellen Dunne ihre Geschichten unterfüttert. Dabei legt sie eine Komplexität an den Tag, die ich bewundernswert finde.
Ihre Vorliebe für markant ausgefeilte Charaktere, für eine an die Realität angelehnte Handlung, die Zündstoff bietet, sowie für ihre irische Wahlheimat greift Ellen Dunne in unterschiedlichen Nuancen, aber gleichbleibend starken Intensitäten auf. Dies sowohl in Wie du mir, ihrem Erstlingswerk, als auch in ihrem zweiten Roman mit dem Titel Für immer mein. Letzterer ist gerade in diesem Herbst zuerst als eBook erschienen, während die Taschenbuchausgabe ab (übermorgen) dem 24. November 2013 erhältlich sein wird.
Dass sich Ellen Dunne dabei keinesfalls in eine einzige Schublade stecken lässt, wird deutlich, sobald der Leser auch nur ein wenig an der Oberfläche kratzt. Denn Freunde eines gepflegten Krimis werden gleichermaßen in ihren Zeilen versinken wie der Historiker und der politisch Interessierte, der Gesellschaftskritische und der Fan dramatischer Lebensgeschichten. Damit schöpft die Autorin aus einem Füllhorn, das noch längst nicht ausgereizt ist. Denn, wie sollte es auch anders sein, die sympathische Schriftstellerin bastelt bereits an weiteren Projekten. Wenn das nicht viel versprechend klingt?! Und ob.
Ich hatte nun das Vergnügen Ellen Dunne zu einem kleinen Plausch "zu treffen", in dem wir ebenso der Bedeutung des Kreativseins wie auch der Kunst, den Spagat zwischen zwei Heimaten zu absolvieren, auf den Grund gegangenen sind. Wirklich schön war's. Herzlichen Dank dafür!
~ Kreativplausch ~
Liebe Ellen,
dir inmitten des überaus positiven Trubels um deinen zweiten Roman, der den verheißungsvollen Titel "Für immer mein" trägt, Zeit für ein kreatives Pläuschchen mit mir zu nehmen, finde ich vorzüglich. Ich bin gespannt auf das, was du zu berichten hast, und ahne, du wirst aus dem Vollen schöpfen können, bei all den Erlebnissen, die deine Laufbahn als kreativer Kopf spicken. In diesem Sinne: Alles auf Anfang und ab durch die Mitte!
„Schreiben kann zur Sucht werden.“ Dies lässt du auf deiner Website überaus treffend verlauten und ich kann das absolut bestätigen. Welche Komponenten machen für dich genau jenen unwiderstehlichen Suchtfaktor der Buchstabenakrobatik aus?
Gute Frage! Für mich ist es tatsächlich ein innerer, schwer definierbarer Drang. Ich bin ja nicht "nur" Autorin, sondern auch als Texterin und Übersetzerin selbstständig. Zusätzliche blogge ich noch über Bücher oder Irland.
Als Autorin reizt mich das Erzählen von Geschichten der Charaktere, die mir am Herzen liegen.
Als Texterin/Übersetzerin ist es die Herausforderung, die Botschaft eines Unternehmens so zu verpacken, dass die Zielgruppe sie gerne liest, egal welchen sprachlichen Hintergrund sie hat.
Und als Bloggerin will ich den Eindruck eines besonderen Buches mit anderen Lesern teilen – und die Liebe zu Irland. Also verschiedene Motivationen – aber dieselbe Sucht ;)
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Was denkst du wiederum als nicht minder begeisterte Leserin, worin der Reiz des geschriebenen Wortes, der seit Jahrhunderten fasziniert, liegt?
Dass diese Worte Geschichten erzählen, deshalb sind sie faszinierend. Unsere Freude an Geschichten ist ja noch viel älter. Sie entführen uns einerseits in eine andere, aufregendere Welt, und lassen uns andererseits völlig freie Hand, diese Welt zu erleben und zu deuten. Wir können träumen, die große Liebe treffen, Dramen und furchterregende Geschichten aus sicherer Entfernung miterleben. Was gibt es Schöneres?
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Deine eigenen bisher erschienen Werke lassen durch eine exklusive Mischung aus dramatischen Lebensgeschichten, politischer Brisanz, historischen Meilensteinen und Elementen eines guten Thrillers aufhorchen. Eine Komplexität, die beeindruckt. Wie gestaltet sich hierbei die Recherche hinter den Kulissen? Welches „Navigationssystem“ hilft dir dabei, durch jenes mannigfaltig anmutende Labyrinth aus Detailreichtum und emotionaler Tiefe zu finden?
Das sind ja gleich zwei Fragen. ;)
Zum Thema Recherche: Für immer mein ist aus meiner Idee entstanden, einen adoptierten Biografen ahnungslos seine eigene Geschichte aufschreiben zu lassen. Der geschichtlich-politische Hintergrund ergab sich aus der dramaturgischen Frage, wie es zu der Situation kommen könnte.
Mein erster Roman Wie du mir war hingegen das "Nebenprodukt" meines großen Interesses an Irland und dem Nordirlandkonflikt. Ich hatte also zuerst den Hintergrund, danach die Story. Der Rechercheaufwand bei Für immer mein war also gezielter auf die Story ausgerichtet, und wurde von vielen tollen Menschen unterstützt.
Zum Thema Navigationssystem: Ich habe schon zu Beginn eine "finale Konfrontation" von Protagonist und Antagonist im Kopf. Den Weg dahin bestimmen die Charaktere selbst. :)
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Was mir beim Lesen deiner Bücher unmittelbar auffällt, ist zum einen die hohe Präsenz an ausdrucksvoller Bildmalerei mithilfe von Worten und zum anderen ein Figurenensemble mit ausgefeiltem Persönlichkeitsprofil.
Wie wir das alle aus Schulzeiten kennen, wird dort gerade im Deutschunterricht – zum Leidwesen vieler Schüler – großer Wert auf Textanalysen und -erörterungen gelegt. Dabei kennt die Fantasie oftmals kaum Grenzen und nicht selten drängt sich die Frage auf „Was würde der Autor wohl zu meiner Interpretation meinen?“ Nun, wenn du als Autorin ein „Mitspracherecht“ hättest, welches sind die Kernaspekte, die du dem Leser mit deinen Geschichten unbedingt verdeutlichen möchtest? Von welchen Botschaften wünschst du dir, dass diese deine Leser tatsächlich und möglichst ungefiltert erreichen?
Ich möchte die Leser vor allem unterhalten. Natürlich ist es für mich das Schönste, wenn Leser dann in irgendeiner Weise von Aspekten der Geschichte berührt werden. Wovon genau ist meist sehr unterschiedlich. Mancher sieht eher Helga im Mittelpunkt und kann sich mit ihrem Schicksal identifizieren, andere eher mit Tarek. Das ist toll und ganz nach meinem Geschmack.
Letzten Endes haben ja alle Charaktere gute Gründe für Ihr Handeln. Was ihnen im emotionalen Eifer fehlt, ist das Verständnis für die Situation des anderen. Diese "Blindheit" ist sehr menschlich, schützt aber eben nicht vor tödlichen Konsequenzen. Ist das jetzt eine Botschaft? Das soll jeder selbst entscheiden.
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Eine weitere Steilvorlage für eine Intentionsanalyse bietet folgende Entdeckung: Wenn man sich deine bisher präsente Titelwahl betrachtet – "Wie du mir" und "Für immer mein" – fällt (mir) unwillkürlich eine Affinität zu Personalpronomen auf. Zufall oder Schachzug deinerseits?
Das war tatsächlich Zufall, auch wenn es wie ein Schachzug aussieht. :)
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In deinem neuen Roman, "Für immer mein", erzählst du die Geschichte eines Schriftstellers, der sich aufgrund seiner eigenen sehr zerrissenen Vergangenheit, die auf unbekannten Wurzeln beruht, lieber den Biographien seiner Kunden widmet. Wessen Biographie würdest du, wenn du wählen könntest, aus welchem Grund gern recherchieren und für die Nachwelt aufbereiten wollen?
Die meiner Schwieger-Großeltern. Leider durfte ich sie nie kennenlernen, doch sie hatten ein geradezu hollywoodesk außergewöhnliches und tragisches Leben miteinander, das mich sehr berührt. Das würde jedoch sehr viel Recherche über das Kuba der 20er und 30er erfordern, wo die beiden lebten... aber wer weiß, was noch kommt?
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Apropos Biographie, deine ist nicht minder spannend, denn die Liebe zu Irland spielt in deinem Leben eine besondere Rolle. Du lebst seit Jahren in diesem Land, das trotz seiner gesellschaftspolitischen Schattenseiten für viele ein Traum(reise)land ist. Deine starke Verbundenheit spiegelt sich sowohl in deinen Büchern als auch in deiner persönlichen Blog-Berichterstattung wider. Welche drei Argumente, die Irland unwiderstehlich machen, kannst du uns an dieser Stelle auf Anhieb liefern?
Phu, eine schwere Auswahl!
• Die Leichtigkeit im Alltag: Die Iren sind meist freundlich, hilfsbreit, lächeln und sprechen auch mal Unbekannte an einer Kreuzung an, nur weil sie deren Mantel toll finden.
• Das Meer und die Landschaft inspirieren mich einfach unheimlich.
• Humor und das Leben nicht so ernst zu nehmen ist eine wunderbare Eigenschaft der Iren, trotz all der Schwierigkeiten, die sie haben.
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Wenn man für längere Zeit im Ausland lebt, das durfte ich selbst feststellen, gibt es stets Aspekte/Einstellungen/Traditionen der „zweiten Heimat“, die scheinbar reibungslos Eingang in den eigenen Lebensstil finden. Andererseits existieren diese Kleinigkeiten des Heimatlandes, die man vermisst. Darauf angesprochen, was kommt dir diesbezüglich in den Sinn?
Dass du total recht hast, liebe Kora! Plötzlich hat man zwei vertraute Länder, fühlt sich in beiden und gleichzeitig in keinem richtig zu Hause. Ich habe den Effekt eines Auslandsaufenthalts auch als unumkehrbar erlebt. Man sieht die Heimat anders, für immer. Und gerade weil mich das Thema sehr beschäftigt, habe ich auf "Geist und Gegenwart", ein Blog, den ich sehr schätze, zum Thema Heimat auch einen Gastartikel geschrieben, den man bei Interesse hier lesen kann.
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Die Sprache mit ihrer Ausdruckskraft ist als Autorin dein Handwerkszeug Nummer 1. Wenn du nun die deutsche und die englische Sprache miteinander vergleichst, worin siehst du für dich die jeweiligen Stärken? Und wie nahe liegt es übrigens, dass deine eigenen Bücher in Zukunft auch in den irischen Buchhandlungen in englischer Sprache erhältlich sein könnten?
Ich bin ein riesiger Fan der englischen Sprache! Sie ist wortreich, sehr präzise und hat eine Wendigkeit, die es im Deutschen einfach nicht gibt. Doch um unsere schönen Komposita beneiden uns die Englischsprachler natürlich trotzdem. :)
Meine Bücher auf Englisch hier zu sehen wäre natürlich toll, doch nur die erfolgreichsten Autoren schaffen das, denn der englischsprachige Markt ist sehr umkämpft. Und selbst übersetzen ist derzeit einfach zu aufwendig. Lieber schreibe ich Neues. Ich habe bisher selbst eine Kurzgeschichte auf Englisch geschrieben – eine Art Prolog zu "Wie du mir". Das hat sehr viel Spaß gemacht und gibt nochmal einen anderen Zugang zu den Charakteren, finde ich. Hier der Link zu "Cigarette Break".
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Weil wir gerade über die „Sprache“ philosophieren: Wie steht's um deine persönlichen Irischkenntnisse? Ach ja, und wie weit oben in deiner Popularitätsskala rangiert denn der landestypische Stepptanz?
Oje, erwischt. Von der irischen Sprache habe ich nur passiv Ahnung (manchmal gälische TV-Station ansehen). Dass die Iren kaum Gälisch sprechen, hat meiner Motivation natürlich auch nicht gerade genützt. Irische Musik und irischen Tanz mag ich gerne. Aber eben auch eher als Konsumentin. ;)
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Da fällt mir ein, die Werbung ist ebenso eine Branche, der du aus beruflichen Gründen verbunden bist. Was denkst du, wie herausfordernd es in der heutigen Zeit ist, ein Produkt schlagfertig und kreativ zu bewerben? Gibt es eine Werbung, deren Einfallsreichtum dich echt beeindruckt hat? Und was hat es deiner Meinung nach mit Werbungen auf sich, deren Botschaft sich dem Betrachter – wenn überhaupt – erst im letzten Moment erschließt? Ist das vielleicht ein neuer Trend?
Das sind genug Fragen für ein eigenes Interview! :D Ich versuche mich kurz zu fassen: Werbung ist immer eine Herausforderung, da sie ungefragt Botschaften sendet und heute mehr denn je einfach ausgeblendet wird. Sie muss sich immer mehr einfallen lassen, um durchzukommen. Ich liebe Humor und Schräges, davon gibt es zum Glück im irischen Fernsehen eine Menge. Meine derzeitigen Favoriten: Snickers, Comparethemarket.com, PG Tips Tee
Wie bei Büchern mag ich auch in der Werbung Originelles und Überraschendes. Wäre schön, wenn es ein Trend wird. Doch allzu einfallsreiche Werbung neigt ja dazu, den Fokus weg vom Produkt zu führen (der sog. "Vampireffekt"), d. h., man weiß noch den Werbespot, aber nicht mehr das Produkt, das man kaufen soll. Autsch!
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Abschließend, obwohl ich noch eine Salve zahlreicher weiterer Fragen auf die Insel schicken könnte, stell dir vor, du dürftest – abgesehen vom Recherchieren und wunderbar messerscharfen Fabulieren – ein weiteres (bis dato vielleicht sogar noch völlig verborgenes) Talent ausleben. Welches wäre dies wohl? Was hätte es dir weshalb besonders angetan, unbedingt zeigen bzw. können zu wollen?
Ich würde gerne gut tanzen können! Ich bewundere einfach Menschen, die ihren Körper gut beherrschen, und ich liebe Musik. Das wäre die perfekte Kombination ...
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Hab nochmals herzlichen Dank, liebe Ellen, für deine unerschütterliche Bereitschaft, dich gemeinsam mit mir auf eine Reise entlang eines deutsch-irischen Pfades zu begeben, der von der Bekenntnis, nie und nimmer auf das Schreiben und den offenen Blick für das Wertvolle im Leben verzichten zu wollen, charakterisiert ist!
Ich danke dir, liebe Kora – hat mir viel Spaß gemacht :)
[Bildrechte: Ellen Dunne]