Morgan Matson: Amy & Roger's Epic Detour
[deutscher Titel: Amy on the Summer Road]
Ich weiß nicht genau, was es war. Ich weiß nur, dass es war. Das gewisse Etwas, was eine Erzählung benötigt, um bei mir ins Schwarze zu treffen, spürte ich beim Eintauchen in dieses Buch wahrhaftig. Ich saß sozusagen auf dem Rücksitz hinter Amy und Roger, während sie die Route ihres Lebens (neu) entdeckten.
In diesem Fall hielt ich ein Buch in Händen, bei dem das Ende viel zu rasch nahte. Liebend gern hätte ich noch weitere Kilometer jener von beeindruckenden Abstechern und ehrlicher Emotionalität geprägten Tour in Form nachfolgender Seiten erleben wollen.
~ Rezension ~
Aus
der Sackgasse hinaus auf die Überholspur
Zähneknirschend
stimmt Amy dem Plan ihrer Mutter zu, das Familienauto einmal quer
durch die USA zum neuen Wohnort der Familie zu bringen. Seit Amys
Vater bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam, setzt sich der Teenager
allerdings nicht mehr selbst hinters Steuer, sodass Roger, ein Freund
der Familie, sich bereiterklärt hat, als Fahrer einzuspringen. Doch
nicht genug damit, dass Roger einen eigenen Schatten der jüngsten
Vergangenheit mit sich trägt, nein, er überredet Amy dazu, von der
vorgesehenen Route ihrer Mutter abzuweichen, um die Fahrt zu einem
ganz besonderen Erlebnis zu machen. Ein Vorhaben, das Amy anfangs
Unbehagen bereitet, sie dann jedoch nach und nach zu einer alles
verändernden Erkenntnis kommen lässt.
Die
Geschichte einer Reise, die weit über einen gewöhnlichen Roadtrip
hinausgeht, wird aus dem Blickwinkel Amys erzählt. Ein Charakter,
der bereits in jungen Jahren schmerzhaft erfahren hat, wie es sich
anfühlt, wenn die eigene Familie zerbricht. Sehr sympathisch fand
ich, Amy im Verlaufe der Handlung aus ihrem betäubenden Vakuum
erwachen und dabei wachsen zu sehen. Nicht unbeteiligt an jener
Entwicklung ist der charismatische Roger, der trotz seiner eigenen
innerer Konflikte stets eine Schulter zum Anlehnen darstellt. Ferner
hat die Autorin ihr Figurenensemble durch Nebenrollen ergänzt, die
ich als Leser auf Anhieb und trotz oder wegen ihrer markanten Art ins
Herz geschlossen habe.
Der
Leser erlebt die Geschichte selbst ein Stück weit als Reise, da die
Kapitel immer wieder durch Einträge in Amys Travelers
Companion. Journal/Scrapbook/Helpful Hints
sowie durch Rogers musikalische Playlists aufgelockert werden. Auf diese
Weise wird ein Gefühl des Involviertseins vermittelt, das dabei die
Dynamik und das Unvorhergesehene jenes wundervollen Umweges
hervorhebt.
Als
besonders angenehm wirkte das Zusammenspiel der Charaktere auf mich.
Die beiden Protagonisten wurden authentisch, mit Ecken und Kanten
samt Sehnsüchten, Hoffnungen und Unsicherheiten gezeichnet, welche
den (jungen) Leser nicht fremd sein dürften. Sowohl der Sinn für
das jugendlich unbeschwerte Wagnis als auch großes
Verantwortungsbewusstsein entsprechend der hinter den Charakteren
liegenden Lebenseinschnitten werden ausbalanciert beschrieben.
Ferner
greift die Autorin typisches US-amerikanisches Flair – ein wenig basierend auf eigenen Reiseerlebnissen – auf und spielt
mit wohlbekannten Klischees. Ein Aspekt, der die Reise zu dem macht,
was sie letzten Endes wird.
Eine
Geschichte, welche die Schwere und die Tragweite von Entscheidungen, die
uns im Leben nicht erspart bleiben und die dennoch ebenso eine
zweite, eine glänzendere Seite haben können, symbolisiert. Hierbei
souffliert Morgan Matson dem Leserpublikum, dass es manchmal nur
einer einzigen Initialzündung bedarf, um die Welt um sich herum mit
anderen Augen zu sehen.
Welche
Abfahrt auf der Autobahn des Lebens wir uns auch entscheiden zu
nehmen, etwas Lohnenswertes erwartet uns in den meisten Fällen –
meist dann, wenn wir gar nicht bewusst danach streben.
Aufgeweckt,
gefühlsbetont und mit großem Lebenshunger versehen lädt dieses
Jugendbuch dazu ein, sich ab und an auf ein Abenteuer einzulassen und
das Leben als Geschenk zu sehen. In diesem Sinne wird eine tragende
Lebensweisheit in eine fabelhaft unterhaltende Kulisse eingebettet,
sodass gelehrt wird, ohne zu belehren.
F★ZIT: Einladend.
Sprudelnd. Erobernd.