"Wer bereits als Kind die Welt zwischen den Zeilen für sich entdeckt, geht auch später gern als Abenteurer durchs Leben." {Creativity First}

Dienstag, 29. September 2015

[Rezension] Bis du wieder atmen kannst (Jessica Winter)

Jessica Winter: Bis du wieder atmen kannst

Hand aufs Herz: Dieses Buch war für mich doch schon eine kleine Überraschung. Natürlich habe ich rein gar nichts gegen eine "klassische Liebesgeschichte mit ihren jugendlichen Ecken und Kanten". Aber die von Jessica Winter präsentierte Tiefe und herzzerreißende Beschwerlichkeit, mit denen sie ihre Charaktere und Leser konfrontiert, ist das absolute i-Tüpfelchen. 

Danke schön, liebe Jessica Winter, dass du mir dein Erstlingswerk anvertraut hast! Sehr zu schätzen weiß ich diese großzügige Geste.

Cover: Jessica Winter


~ Rezension ~

Vertrauen ist wie Sauerstoff. Beides ist essentiell.

Julia und Jeremy könnten verschiedener kaum sein. Sie, die introvertierte und dennoch schlagfertige Unscheinbare. Er, einer der glanzvollen Sportstars der Highschool aus gutem Hause. Wann immer sich die beiden über den Weg laufen, besteht ihr Zusammentreffen aus einem wortreichen Schlagabtausch  zumeist auf Kosten Julias Erscheinung. Doch diese Sticheleien können ihr nur wenig anhaben. Ihre Welt wird täglich aufs Neue erschüttert, auf viel brutalere Art und Weise. Aber das muss unter allen Umständen ein Geheimnis bleiben. Sonst droht der Abgrund. Als Jeremy nun eines Tages zufällig einen winzigen Blick hinter Julias Fassade erhascht, versetzt es seinem Herzen einen Stich. Kann das, was er ahnt und was ihn fortan nicht mehr loslässt, wirklich wahr sein?

Bis du wieder atmen kannst von Jessica Winter erzählt eine ergreifende Geschichte, die gleichermaßen stark wie zerbrechlich anmutet. Ein Debüt, das weit mehr macht, als an der Oberfläche zu kratzen.

Jessica Winter porträtiert zwei heranwachsende Protagonisten, die sich größten emotionalen Eruptionen ausgesetzt sehen. Ungeachtet dessen, dass Julia und Jeremy kaum etwas voneinander wissen, sind sie mutig genug, sich in vorsichtigen Schritten einander anzunähern. Den Weg, den sie einschlagen, zeichnet die Autorin fernab allzu großer typischer Highschoolklischees. Dafür ist der Hintergrund der gemeinsamen Reise viel zu tiefgründig, ernsthaft und schockierend.

Die Geschichte, die Jessica Winter mit ihren Lesern teilt, kann ohne Weiteres als Minenfeld beschrieben werden. Eine Entschärfung der prekären Umstände ist dringend von Nöten, birgt jedoch die Gefahr in sich, die Beteiligten endgültig zu zerreißen. Energisch und zugleich mit großem Fingerspitzengefühl geht die Autorin zu Werke, als sie ihre Figuren in das Krisengebiet aus Selbstzweifel und Erschütterung, Wut und Entschlossenheit schickt. 

Die Intensivität, die konsequent zwischen den Zeilen dieses Debütromans mitschwingt, hat mich nachdrücklich beeindruckt. Allein das diffuse Licht der Hoffnung, welches zwischen den Trümmern einer geschundenen Seele hindurchschimmert, belegt, dass diese Geschichte so viel mehr in sich trägt, als es das Buchcover auf den ersten Blick vermuten lässt. In diesem Zusammenhang gilt demzufolge Gleiches für Jeremy und jeden Leser: Jede Oberfläche ist es wert, durchbrochen zu werden.

Insgesamt sollte unbedingt festgehalten werden, dass die unschlagbare Stärke dieses Romans seine Gedankentiefe ist. Die zarte Freundschaft (und potentielle Liebe) zwischen den beiden Hauptfiguren weiß zu überzeugen, obwohl, nein, gerade weil sie auf einem Fundament baut, das aus Bruchstein besteht.

FZIT: Brachial. Unerwartet. Ergreifend.


Dienstag, 22. September 2015

[Rezension] Make it count: Liebesfunken (Ally Taylor)

Ally Taylor: Make it count: Liebesfunken

Was für eine Freude und Ehre gleichermaßen: Ich durfte den dritten "Make it count"-Band aus der Kreativschmiede von Anne Freytag, die in diesem Falle erneut als ihr Alter Ego Ally Taylor glänzt, noch vor der offiziellen Veröffentlichung lesen. Und nicht nur das. 
Nein! 
Ich wurde sogar nach meiner Bloggermeinung für den Buchumschlag gefragt. Liebe Anne alias Ally, es ist unglaublich toll, mit dir als schreibenden, das Wortspiel schätzenden und stets mit neuen Facetten auftrumpfendem kreativen Kopf befreundet zu sein! Danke.

Cover: Freytag Literatur


~ Rezension ~

Eine Elektrizität lädt die Herzen auf

Es muss sich etwas ändern! Andrew hat sein Leben, so wie es momentan läuft, satt. Er will endgültig den Schatten seiner Familie zu entfliehen. Amy könnte zufrieden mit ihrem Leben sein. Wäre da nicht Derek, der zwar den Weg in ihr Bett, jedoch bedauerlicherweise nicht in ihr Herz gefunden hat. Als Amy und Andrew sich bei einer WG-Party in Boston über den Weg laufen, lädt sich die Atmosphäre zwischen ihnen augenblicklich statisch auf: Anziehungskraft und Abstoßung liegen  aus triftigen Gründen  nur einen winzigen Funken voneinander entfernt. Doch wie lange können sie wirklich den Schein wahren, ohne dass das Bild ihres vorgeblich belanglosen Miteinanders verdächtige Risse bekommt? Außerdem wäre der Kollateralschaden, den ihre Bekenntnisse mit sich brächte, nicht zu verantworten. Wieder einmal ist das Leben nicht fair zu Amy und Andrew! Denn vieles darf nur in ihren Köpfen geschehen.

Liebesfunken ist bereits der dritte "Make it count"-Band, den Ally Taylor veröffentlicht. Auch diese Mal erfasst den geneigten Leser die vollends ausgespielte Breitseite aufwühlender, direkter Herzklopfen-versus-Herzschmerz-Momente.

Die Welt in Boston gerät aus den Fugen, als sich die Wege der toughen Amy und des Womanizers Andrew kreuzen. Das mit dieser schicksalshaften Begegnung entflammende Gerangel zwischen Sinnlichkeit und Abneigung hält Ally Taylor in unmissverständlich intensiver Art und (Ausdrucks-) Weise am Lodern.
Des Weiteren pflegt die Autorin in diesem Roman darüber hinaus sehr angenehm die Präsenz anderer Figuren, die den Lesern aus früheren Oceanside-Episoden ans Herz gewachsen sind. Ein serienreifer Crossovercharakter entsteht, der mir überaus willkommen ist.

Auch diese MIC-Fortsetzung hebt, wie ich es empfinde, die wortspielerische Brillanz der Ally Taylor hervor. Der Bezug zum nur allzu passenden Titel, Liebesfunken, wird durch eine explosive Klimax an Eloquenz perfekt unterstrichen. Ferner etabliert die Autorin einen Umgangston, der gelegentlich zwar recht unverhohlen deftig, dafür aber authentisch daherkommt.

Die Fülle der ausgiebigen Bettgeschichten und -fantasien wird nicht wenige Fans der Buchreihe beglücken, das steht außer Frage. Die aufbrausende Mischung aus Testosteron und Östrogen ist markant. Hier und da hätte ich mir als Gegenwert ein wenig mehr Tiefgang außerhalb des Schlaf- oder Badezimmers vorstellen können. Allerdings schmälert dieser Aspekt kaum das Gewicht, mit welchem dieser Roman seinem Genre gerecht wird.

Kopf-, Herz- und Bauchentscheidungen spielen eine wichtige Rolle in der schwierigen Liebesgeschichte von Amy und Andrew. Das bewusst reflektierte Für und Wider liefern sich einen verbissenen Kampf, bis eine bittere Fügung das Zepter in die Hand nimmt. Ein Spannungsfeld, welches Ally Taylor gekonnt unter Strom gesetzt hat.

In der Summe bietet dieses Buch ein Gesamtpaket, in dem es knistert und knirscht. Doch, in welche Richtung es Protagonisten und Leser bei einer wahrscheinlichen Detonation auch verschlagen mag, eines sollte nie in Vergessenheit geraten: Make it count!

FZIT: Zerrissen. Begierig. Verankernd. 


Dienstag, 15. September 2015

[Rezension] Weiberabend (Joanne Fedler)

Joanne Fedler: Weiberabend 

Ein Roman in Hörbuchformat, der für Fröhlichkeit verziert mit einem Tupfen Ernsthaftigkeit sorgt. Bunte Unterhaltung, die das solide Mittel zwischen erdrückendem Tiefgang und überquellender Leichtigkeit trifft. 

Besonderen Charme verleiht dem Ganzen meiner Meinung nach die Sprecherin Nana Spier, welche die vielschichtige Atmosphäre gekonnt aufgreift und wiedergibt.


~ Rezension ~

Mädels, das wusstet ihr garantiert noch nicht über mich.

Um einmal eine Auszeit von Familie, Job und alltäglichen Verpflichtungen zu nehmen, finden sich Joanne und ihre sieben Freundinnen im Landhaus von Helen zu einer Pyjamaparty ein – stilecht mit Snacks, Drinks und Geschichten, die das Leben schreibt.
Doch so heiter und unbeschwert sich der Abend anlässt, genauso unglaublich erschütternd sind die Erkenntnisse, die sich im Laufe der Stunden offenbaren. Ängste, Traumata, Wünsche, von denen Joanne und ihre Freundinnen keine Ahnung hatten, kommen dabei ans Licht.

Weiberabend ist der erste Roman der Autorin Joanne Fedler und bietet dem Leser einen sprühenden Mix aus Ehrlichkeit und Schmerz, Sehnsucht und Lebensmut.

Der bunte Fächer an Charakteren, die jeweils mit reichlich Geheimnissen ausgestattet sind, wirkt erfrischend. Sämtliche Höhen und Tiefen des Mutter- und Ehefrauseins werden, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, ungeschminkt beleuchtet. Dabei werden die schönsten Freuden, aber auch tragische Entscheidungen gleichermaßen in den Mittelpunkt gestellt, wodurch ein hohes Maß an Authentizität an den Leser herangetragen wird. Eine hörbare Kritik an von der realen Gesellschaft für passabel erklärten Ansichten und Normen kommt hierbei nicht zu kurz. Eine Charakteristik des Romans, mit welcher die Autorin punkten kann.

Ebenfalls gefallen haben mir die schwungvolle Wortwahl sowie die bildhaften Beschreibungen, mit denen Joanne Fedler der Geschichte Glanz verleiht. Auch wenn die beschriebene Handlung in nicht einmal 24 Stunden stattfindet, ist die Ereignisdichte hoch und absolut kurzweilig.

In der Hörbuchversion verleiht Nana Spier, die deutsche Synchronsprecherin für Drew Barrymore und Liv Tylor, den Charakteren auf eingängige und warmherzige Weise Stimmen, die es zu (er-) hören gilt.

Im Draufblick wartet die Autorin mit einem Unterhaltungsroman auf, der auflachen, kräftig schlucken und nachdenken lässt.

F★ZITGefühlsecht. Unverblümt. Reichhaltig.


Dienstag, 8. September 2015

[Rezension] Das Geheimnis des goldenen Salamanders (R. Holler)

Renée Holler: Das Geheimnis des goldenen Salamanders (neu: Die Diebe von London) 

Für junge Leser und Freunde von Kinderbüchern hat Autorin Renée Holler ein feines Werk geschaffen. 

Mit Alyss, Jack & Co. durch das London der Vergangenheit zu ziehen, macht wirklich Freude. Denn durch einen gewissen Charme wird dieses Buch zu einem echten Leseerlebnis für die gesamte Familie. Denn Klein und Groß können sich mit breitem Lächeln gemeinsam in ein spannendes Abenteuer begeben.


~ Rezension ~

Wenn das Herz im Takt des Abenteuers schlägt

Im England des 17. Jahrhunderts begibt sich die zwölfjährige Alyss als Junge verkleidet auf eine wichtige Mission: In London muss sie nach Sir Christopher suchen. Er ist der einzige Mann, der ihr, seit dem ihr geliebter Vater verschollen ist, gegen ihren gierigen Onkel zur Seite stehen kann. Aber noch bevor Alyss Sir Christopher ausfindig machen kann, gerät sie in höchste Gefahr. Und plötzlich wird Jack, der junge Taschendieb, der Alyss soeben noch dreist bestohlen hat, zu einem ihrer engsten Verbündeten. Doch kann es den Kindern tatsächlich gelingen, sich gegen die skrupellosen Machtspiele der Großen der Stadt zu schützen? 

Mit ihrem Kinderbuch Das Geheimnis des goldenen Salamanders (inzwischen als Die Diebe von London erschienen) nimmt Renée Holler ihre (jungen) Leser auf eine rasant abenteuerliche Reise in ein London längst vergangener Tage.

Die zumeist kindlichen Charaktere werden als mutig, gewieft und nicht zuletzt loyal gezeichnet  allen voran Alyss als unerschrockenes Mädchen mit Entschlossenheit im Herzen. Renée Holler stattet ihre lebhaften Figuren mit einer Reihe origineller bis teils exemplarischer Charakterzüge und Eigenschaften aus, die für den Fortgang der Geschichte von Bedeutung sind.

Eine aufgeweckte Kinderschar, die als Taschendiebe durch die Straßen zieht, und herzensgute Akteure einer Schaustellergruppe stellen sich an Alyss' Seite gegen die kriminellen Machenschaften Londoner Gauner. Damit kreiert Renée Holler ein Spannungsverhältnis, das dem dynamischen, abenteuerlustigen Grundtenor des Buches sehr zugute kommt. Das Gesamtpaket aus historischem Kontext, fikitvem Handlungsbogen und quirliger Sympathie für die Protagonisten ist, wie ich finde, ein kleines Schmuckstück in jedem Kinderbuchregal. Als besonders hübsche Applikation dienen hierbei die feinen Illustrationen aus der Hand Bernd Lehmanns.

Überhaupt ist der Mehrwert, den die Autorin mit ihrem Werk schafft, äußerst liebenswert. Sie trägt ein Stück Historie ins Hier und Jetzt und erzählt dabei eine Geschichte, welche Kinder zum aufmerksamen Lesen und Miterleben "anstiftet". Beschwingt und dennoch mit einem Fokus auf der tiefen Bedeutung von Freundschaft gerichtet formuliert Renée Holler ihre Kapitel aus.

Insgesamt handelt es sich um ein Kinderbuch, das sowohl komplex als auch verspielt wie das Bild eines Kaleidoskops daherkommt. Historische Kulisse wird mit Leben gefüllt ein Gesamtbild, das durch Kinderaugen betrachtet, viel Vergnügen bereitet.

FZIT: Lebhaft. Bildlich. Findig.


Freitag, 4. September 2015

[Rezension] Eigentlich sind wir nicht so (Luisa Binder)

Luisa Binder: Eigentlich sind wir nicht so. Ein kauziger Familienroman 

In ihrem Erstlingswerk nimmt Autorin Luisa Binder geschickt die Problematiken einer Generation, die im Hier und Jetzt zwischen Karrierehoch und Kreditunwürdigkeit pendelt, unter die Lupe. Beinahe schon ein Klassiker der Gegenwart, oder? Doch hier heißt es: Nicht verzagen ... Früher oder später wird jeder Kauz einmal flügge.

Ein Dankeschön an den Knaur Verlag für diesen locker-leichten Roman, der als Überraschungspost den Weg zu mir gefunden hat!

Cover: Droemer Knaur


~ Rezension ~

Die Schule des Lebens versus ein Studium der Kunstgeschichte

Über Marie ist die Katastrophe hereingebrochen: Sie hängt nach abgeschlossenem Studium, Kunstgeschichte und Kulturanthropologie, jobtechnisch in einem totalem Vakuum der Ahnungslosigkeit fest. Dann wurde sie auch noch von ihrem Freund verlassen und mit Nachdruck von ihren Mitbewohnern vor die WG-Tür gesetzt. Mit Ende zwanzig kehrt Marie also in ihr Elternhaus zurück. Aber anstelle eines herzlichen Willkommens und eines trauten Heims findet sie ein Irrenhaus vor: Zwei Freundinnen ihrer Eltern stecken mitten in einer Lebenskrise und quartieren sich kurzerhand ebenfalls bei den Schröders ein. Zwischen Mauerblümchen und Lebefrau, notorisch nörgelndem Vater und vermittelnder Mutter schlagen die Wogen schnell hoch. Und dann wäre da noch das überraschende Wiedersehen mit Daniel, dem einstigen Star aus Maries Jahrgangsstufe und Schwarm aller Mädchen. Ein gefundenes und wieder einmal fehl zu interpretierendes Fressen für die schräge Kombo, mit der Marie sich gezwungenermaßen Käsekuchen und Kleiderschrank teilen muss.

Eigentlich sind wir nicht so ist Luisa Binders Debütroman, mit dem die studierte Geisteswissenschaftlerin den gekonnten Spagat zwischen "Geschichten, die das Leben schreibt" und akzentuierter Verschrobenheit demonstriert.

Marie als Endzwanzigerin, die mit akademischem Abschluss, aber ohne aussichtsreiche Perspektive wieder bei ihren Eltern Unterschlupf findet, nimmt eine klare Stellvertreterrolle ein. Luisa Binder verleiht ihr das nicht untypische Profil einer Generation, die sich der Crux aus Überqualifikation hier und zu wenig Berufserfahrung dort stellen muss. Marie hat das Gefühl, ihre Jahre an der Uni verschwendet zu haben. Zwischen Resignation und Trotz schwankend, begibt sie sich auf der Suche nach Alternativen und stößt dabei auf ungeahnte Talente. Damit wird Luisa Binders Romanfigur zum Gesicht einer Generation, die — ganz real  nur zu häufig vor ähnlichen Hürden steht. Nicht zuletzt untermauern die eigenen Beobachtungen und Erfahrungen der Autorin ihre Geschichte mit einem authentischen Fundament.

Als überaus gelungen stellt sich für mich die Mischung aus pfiffigem Realitätssinn und herrlich kauziger Überzeichnung dar. Dies wird besonders in der Porträtierung der einzelnen Charaktere deutlich, die mit Wonne klare Klischeehaftigkeiten ausfüllen. Dadurch entsteht eine Nähe zwischen Figurenensemble und Leser, die sich festigt. (Galgen-) Humor und eigenwilliger Aktionismus sorgen im Fortgang des Romans für beständiges Amüsement.

Der Roman kommt sowohl inhaltlich als auch stilistisch ohne die überdurchschnittlich beeindruckenden Ausrufezeichen, die immerwährend in Erinnerung bleiben, aus. Dafür sorgt ein mit Verve und Schmissigkeit ausgestatteter Handlungsbogen für köstliche Unterhaltung. Als großes Plus, so finde ich, darf auf jeden Fall das Identifikationspotenzial, welches geboten wird, gelten.

In der Summer wartet Luisa Binder mit einem neckischen Familienroman auf, der seinem kauzigen Titel(bild) in vielerlei Hinsicht gerecht wird. 

FZIT: Lebensecht. Schräg. Wachsend.


Dienstag, 1. September 2015

[Schreibzeugkiste] Roadmovie-Lektüre. Oder: Wohin des Weges?

Ein Gefühl von Unabhängigkeit mischt sich mit einem Hauch von Verwegenem und wird durch eine frische Brise Entdeckertum erst so richtig vorangetrieben.

Wer bereits einmal zu einem Roadtrip aufgebrochen ist (oder zumindest schon ausgiebig davon geträumt hat, dies zu tun/zu wagen), kennt dieses heitere Kribbeln, neugierige Flirren und ehrliche Lächeln auf den Lippen, wenn das Neue, das noch Unbekannte zu einer fabulösen Konstanten wird, die einen begleitet.

Für mich persönlich werden in diesem Zusammenhang immer sofort die Erinnerungen ans Trampen und "Road Tripping" in Neuseeland wach. Erlebnisse, die oft unvorhergesehen und dafür wahrscheinlich auch intensiver waren als manch anderer Moment.

Ansteckendes Reisefieber  eine willkommene Diagnose  

Glücklicherweise ist das Schreiben von einladenden Romanen im Roadmovie-Stil nun international echt angesagt. Irgendwie wenig verwunderlich. Schließlich ist das Weltenbummeln eine zeit- und grenzenlose Thematik, die immer wieder aufs Neue Spielraum für groß- und andersartige Geschichten bietet. Für mich, mit einem Faible für genau solche Lektüre, ist das also ein, wie sagt man so schön, gefundenes Fressen. Was folgt, ist eine kleine Auswahl an Romanen, die durchaus das Zeug zu einem waschechten Roadmovie hätten ...

Ob Britta Sabbag mit ihrem Stolperherz und Adriana Popescus Ein Sommer und vier Tage oder Amy & Roger's Epic Detour von Morgan Matson und Eine Woche, ein Ende und der Anfang von allem aus der Feder von Nina LaCour  was diese Bücher und all ihre Geschwister gemein haben, ist ihre raffinierte Art und Weise, ihre (jungen) Leser zum Träumen mit offenen Augen einzuladen. Sie mögen die unterschiedlichsten Charaktere, Lebensumstände und Settings fokussieren, doch ihre gemeinsame großartige Botschaft ist eindeutig: 

Lest ... träumt ... reist SELBST! 

Und ebenjenes Gefühl der angenehm offensiv unterschwelligen Aufforderung ist es, was ich an Büchern mit diesem Augenmerk so mag. Sie stiften — ungeachtet ihrer unterschiedlichen Handlungsstränge  geradezu an, die eigene Begeisterungsfähigkeit fürs Reisen, Entdecken, Erleben zu schüren. Immerhin lernt man bei einer solchen Unternehmung nicht nur Land und Leute, sondern vor allem auch sich selbst noch ein wenig mehr kennen. Umso lohnenswerter scheint es, sich in den VW-Bus, auf die Vespa oder in die Familienkutsche zu schwingen und, dem Herzschlag folgend, den Moment zu genießen.

Mit dieser Erkenntnis im Sinn kann ich als (reiselustiger) Leser nur all den Autoren herzlich danken, die ihre eigenen Vorstellungen vom oder Erinnerungen ans Auskosten einer persönlichen Reisefreiheit in eingängige Geschichten betten. Was gibt es Schöneres, als dass der eigene Roman zur Inspirationsquelle für den einen oder anderen Leser wird? Bitte immer wieder gern mehr davon.

In diesem Sinne: Rom, L.A. oder Marseille? Kanada, Australien oder Irland? Wohin darf die nächste (Lese-) Reise gehen?