Kathrin Schrocke: Freak
City
Entschlossen und geradewegs heraus konfrontiert die Autorin dieses Buches ihre Leser mit einer Geschichte, die sowohl durch Dynamik als auch durch Atemlosigkeit bewegt. Persepektivenreich wird das Leben einer gehörlosen Protagonistin geschildert, deren unerschütterlich scheinende Stärke bewundernswert ist.
Akzeptanz, Toleranz und das Miteinander zu fördern, ist das erklärte Ziel dieses zu Recht mehrfach ausgezeichneten Jugendbuches. Ebendieses wird definitiv erreicht. Dank des Carlsen Verlags durfte ich ein Stück weit in einen Lebensweg eintauchen, der anders ist. Anders, aber nicht weniger (er-) lebenswert.
Bildquelle: Carlsen Verlag
~ Rezension ~
Eine
Welt, in der weder leise noch laute Töne von Bedeutung sind
Bereits
die erste flüchtige Begegnung mit ihr bleibt ihm, dem
fünfzehnjährigen Mika, in bleibender Erinnerung. Diese
unerschrockene und zugleich zauberhaft zarte Aura, die das Mädchen
umgab, ließ ihn nicht mehr los. Als Mika wenig später durch einen
Zufall erneut auf Lea trifft und erfährt, dass sie gehörlos ist,
eröffnet sich ihm eine Welt, deren Sog zu stark ist, um unberührt
zu bleiben. Hals über Kopf beschließt Mika einen Intensivkurs in
Gebärdensprache
zu besuchen, um Lea besser kennenlernen zu können. Doch schneller als ihm lieb ist, türmen sich Hürden vor ihm auf, mit denen er so
nie gerechnet hätte.
Mit
großer Intensität beschreibt Kathrin Schrocke
in ihrem Jugendbuch
wie
es sich anfühlt, wenn zwei Welten aufeinanderprallen und trotz ihrer
Verschiedenheit gibt es eine bemerkenswerte Schnittmenge, die es wert
ist, zu entdecken.
Freak City
portraitiert das Leben zweier Jugendlicher, die unterschiedlicher
kaum sein könnten: Mika ist lässig, schüchtern und an ihm nagt der
Liebeskummer. Lea ist charismatisch, wild und direkt. Mika kann
hören. Lea ist gehörlos.
Die
Autorin kreierte zwei Charaktere, deren Willen und Wagemut als
Vorbilder gelten können und sollten. Zum einen prägen aufrichtiges
Interesse und Vertrautheit ihre Beziehung, zum anderen werden Zweifel
und Zurückhaltung deutlich.
Kathrin
Schrocke verleiht der Thematik „Gehörlosigkeit“ eine
ernstzunehmende und gleichermaßen angenehm ungezwungen wirkende
Stimme. Eine Stimme, die sowohl von Hörenden als auch von Gehörlosen
wahrgenommen werden kann. Ebenjene Selbstverständlichkeit hat mit
besonders gefallen. Es werden Vorurteile ungeschminkt dargestellt,
während im nächsten Atemzug gezeigt wird, dass Berührungsangst
eine unnötige Hemmung darstellt. Wer Initiative ergreift und sich
aufgeschlossen zeigt, erkennt rasch die Lebensqualität eines
Gehörlosen.
Mithilfe
dieses Buches, dessen legerer, gelegentlich gar betont flapsige
Umgangston vor allem dem jungen Publikum in die Karten spielen dürfte,
schickt die Autorin uns Leser auf eine gelungen Achterbahnfahrt:
Ängste und Verstimmungen, Zuneigung und Hilfsbereitschaft,
Verständnislosigkeit und Ignoranz, Loyalität und Integration –
Werte und Emotionen, die gesellschaftliche Wellen schlagen und denen
wir uns schleunigst stellen sollten.
Alles
in allem ein Buch, das mithilfe einer lockeren Grundstimmung auch
weiß, ernsthafte Töne anzuschlagen und dessen Etablierung als
Schullektüre überaus zu empfehlen ist.
F★ZIT: Modern.
Fühlbar. Bedeutsam.