"Wer bereits als Kind die Welt zwischen den Zeilen für sich entdeckt, geht auch später gern als Abenteurer durchs Leben." {Creativity First}

Dienstag, 22. November 2016

[Rezension] {♫♫} Immer noch Mensch (Tim Bendzko)

Tim Bendzko: Immer noch Mensch 

Ohne Übertreibung kann ich sagen, dass ich seltenst der Veröffentlichung eines Musikalbums derartig entgegengefiebert habe wie der von Immer noch Mensch. Nachdem Tim Bendzkos ersten beiden Alben, Wenn Worte meine Sprache wären und Am seidenen Faden, mit Leichtigkeit die meistgehörtesten meiner Sammlung sind, konnte ich diesen musikalischen Nachschub in Form der signierten Special Edition (die, nebenbei gesagt, doch wahrlich hübsch daherkommt) daher kaum bis gar nicht erwarten...

Was kann ich sagen? Nun, ich hätte nicht gedacht, dass mich dieses Album auf Anhieb vielleicht sogar noch ein bisschen mehr in den Bann würde ziehen können als seine Vorgänger. (So ziemlich ein Ding der Unmöglichkeit!) Das über eineinhalb Jahre lange Warten nach dem vorerst letzten Konzertbesuch hat sich definitiv gelohnt. 

Ich weiß gar nicht so recht, was mich am meisten beeindruckt? Aber für mich als ultimativer Fan von Sprache und Wortmalereien und ambitionierter Gedankenjongleur ganz vorn mit von der Partie ist zweifellos die für meinen Geschmack geniale Kombination der aussagekräftigen Texte mit Melodien, die unter die Haut gehen. 

P.S.: Nicht oft hatte ich bereits im Vorfeld einer Tour einer derartig klare Überzeugung davon, wie wunderbar die Interpretationen auf der Bühne wirken werden...


~ Rezension ~

Ein Resonanzkörper menschlicher Empfindungen

Es gibt Musik, die sich gern hören lässt. Und es gibt Musik, die wir fühlen — durch und durch und bei jedem Hören aufs Neue und ein wenig mehr. Zu zweiter Gruppe gehört Immer noch Mensch. Ein Album, das eine Auswahl an Liedern vereint, die Tim Bendzko als Singer/Songwriter und Produzent selbst als Pralinen bezeichnet und den Hörern dementsprechend kredenzt. Beinahe scheint es, als bringe Beste Version, so der erste Titel auf dem Album, das mögliche Resümee zum Gesamtwerk bereits ausdrucksstark auf den Punkt. 

Tim Bendzkos drittes Album Immer noch Mensch steckt voller unaufdringlicher Aufrichtigkeit und emotionalem Mehrwert. Es schlägt Saiten an, von denen sich du und ich angesprochen, verstanden und beflügelt fühlen.

Eine Stärke Tim Bendzkos ist es seit jeher, seinen Stücken eine vom ersten Ton an verständliche, aber dennoch tiefenwirksame Bedeutung zu geben. Dieses Vermögen verfeinert er auf Immer noch Mensch. Präzise Eloquenz, die hohe Intensität an gefühlsbetonten Werten und lebensechte Dynamik charakterisieren das Album. Teils gerade heraus, zeitweise clever zwischen den Zeilen verpackt spiegeln die Texte ein einnehmendes Kaleidoskop nur allzu menschlicher Befindlichkeiten, Einsichten und Möglichkeiten wider.

Die einen mögen die deutliche Nachdenklichkeit des Albums vielleicht als durchaus schwermütig einstufen. Ich hingegen empfinde die aufgefächerte Analytik und Beobachtungsgabe vielmehr als absolut auf den Kopf getroffenen Nagel. 

Ob angegraute Melancholie oder wabernder Weltschmerz, ob offensive Zuversicht oder beharrliche Leichtfüßigkeit — jedes einzelne Lied gleicht gewissermaßen einer Offenbarung, deren Identifikationspotenzial (mich) sehr berührt. Die Harmonie zwischen den mit großem Wahrheitsgehalt ausstaffierten Textzeilen und deren musikalischer Untermalung ist mehr als nur gelungen. Eine Liebe zum Detail, die beim Hören spürbar wird. Ganz ehrlich: Für mich persönlich gibt es nur sehr, sehr wenige Künstler, die es schaffen, mich in diesem großartigen Umfang mit ihrer Musik zu begeistern.

Leise, authentische Töne, die laut nachhallen, einfühlsame Reflexion und munterer Enthusiasmus für ein Leben mit all seinen Etappen machen die Mischung aus, mit der Tim Bendzko "Lebensweisheiten" teilt, ohne dabei aufgesetzt zu wirken. Im Gegenteil. Mit Zeilen wie Kann man das noch reparieren?, Was du jetzt bräuchtest, ist'n bisschen Phantasie und der Schleier fällt und Ich sing' nicht für den Applaus, gehört zu werden, reicht mir aus spricht der Berliner vermutlich tausenden Menschen aus der Seele. Denn bei all dem Tohuwabohu, das uns täglich umgibt, ist und bleibt es essentiell (wenngleich nicht immer einfach) sich selbst treu zu bleiben.

Immer noch Mensch ist viel mehr als eine gekonnt arrangierte Zusammenstellung von 11 Liedern mit Charakter, die in einem Keller auf dem Land eingespielt worden sind. Es ist Sprachrohr, Katalysator und Spiegelbild in einem und vom Feinsten!

FZIT: Glaubwürdig. Menschlich. Zeitlos.