Herrje,
ich wusste gar nicht mehr wie wunderbar es sich anfühlte, sich nach
Herzenslust zu verquatschen. Schon hatte sich Ole vom Wildfremden mit
den markanten Kulleraugen, dem verwegenen Haarschnitt und der
sympathischen Stimme zu so etwas wie einem Freund entwickelt. Hätte
nicht geglaubt, derart schnell Freundschaften zu schließen.
Vielleicht bin ich manchmal schlicht zu vertrauensselig, vielleicht
lag es am veränderten Luftdruck. Auf jeden Fall plauderten wir
ununterbrochen und keiner von uns schien dessen müde zu werden. Ich
denke, ich hatte bis dato nur selten solch unterhaltsame Gespräche
geführt, ehrlich. Normalerweise bin ich diejenige, die den Dialog
voranbringt. Was gelegentlich wahrlich ermüdend sein kann. Mag man mir
das nun glauben oder nicht. Doch in diesem Fall waren zwei
ebenbürtige Wortakrobaten aufeinander getroffen. Daher genoss ich es zunehmend, einfach nur Oles lebhaften Erzählungen zu lauschen.
Ehe wir es uns versahen, landeten wir
zum Zwischenstopp in Singapur. Dabei hätte ich schwören können,
wir hätten gerade einmal die Strecke Frankfurt (Main) – Rom
zurückgelegt. Auf der zweiten Hälfte des Fluges bis
nach Sydney fanden wir ebenfalls kaum in den Schlaf. Ich bemerkte mit
einem Mal diese eigenartig belebende Elektrizität, die durch meine
Adern zu pulsieren begann. Aus diesem Grund hätte ich schwerlich
überhaupt ein Auge zubekommen. Inzwischen hatte ich Ole von meinem
halben Leben erzählt und er berichtete mir ebenfalls von sich als
wäre es das Selbstverständlichste der Welt. Hm, Vertrauensseligkeit oder Vertrautheit?
– Ole –
Glücklicherweise
hatten wir denselben Anschlussflug von Sydney nach Auckland gebucht.
Zufälle gibt’s. Irgendwie gelang es uns auch die Plätze so hin-
und herzutauschen, dass wir für die verbleibenden drei Stunden
nebeneinander sitzen konnten. Darauf einen Tomatensaft!
Mein anfänglicher Unmut hinsichtlich
ausschweifender Gespräche hatte sich in Luft aufgelöst und ich
genoss das ungezwungene, beinahe befreite Gefühl des Redens und
Zuhörens. Hätte mir jemand vor Reiseantritt versichert, ich würde
bei Ankunft in Neuseeland eine Freundschaft fürs Leben geschlossen
haben, hätte ich jene Chance für äußerst belächelnswert
gehalten. Klar, der übliche Plausch wäre mit Sicherheit drin
gewesen, aber eine alles verändernde Schicksalsbegegnung wohl eher
nicht.
In Auckland wurde mir dann doch leicht
wehmütig ums Herz, hieß es jetzt Abschied nehmen von Helena. Sie
flog weiter nach Wellington, während ich mich per Rad in den Norden
begab. Schon schade. Vorher tauschten wir jedoch noch hektisch unsere
Heimatadressen aus, sodass wir nach unserer Rückkehr einen Kontakt
wieder aufnehmen konnten.
Irgendwie wusste ich jetzt bereits,
was ich auf dem Rückflug vermissen würde.
Bis dahin schrieb ich Helena
jedenfalls von meinen unzähligen Reisestationen eine Postkarte.
Immerhin konnte sie sich annähernd vorstellen, von welchen
überwältigenden Eindrücken ich sprach. Wieder eine Gemeinsamkeit …
– Fortsetzung folgt –
© Kora Kutschbach