"Wer bereits als Kind die Welt zwischen den Zeilen für sich entdeckt, geht auch später gern als Abenteurer durchs Leben." {Creativity First}

Dienstag, 21. Mai 2013

[Rezension] My Sister Lives on the Mantelpiece (A. Pitcher)

Annabel Pitcher: My Sister Lives on the Mantelpiece 

[deutscher Titel: Meine Schwester lebt auf dem Kaminsims]

Seit längerer Zeit hegte ich den Wunsch, jenes Buch unbedingt lesen zu wollen. Nun war also der Moment gekommen.
Wahnsinn, was für ein intensives Werk, dessen Botschaft unmissverständlich deutlich und zugleich uneingeschränkt generationsübergreifend und wie für Familien gemacht formuliert ist. Hinzu kommt ein entzückender Protagonist, der sich seinen Platz in meinem Herzen auf ewig gesichert hat.
Ein Buch, das seine Leser definitiv weit über die letzte Seite hinweg beschäftigt und mich vor allem durch den unerschütterlichen Willen, das Gute im Leben zu erkennen und nicht zu versäumen, beeindruckt hat. Nicht nur einmal kam mir der Gedanke: Wie soll ein einziger (kleiner) Mensch all das verkraften können?


~ Rezension ~

Im Sturm war mein Herz erobert!

Fünf Jahre ist es nun her. Seitdem sehnt sich der zehnjährige Jamie nach ein wenig Normalität. Doch seit seine Schwester Rose bei dem Attentat in London ums Leben kam, steht seine Welt still. Seine Eltern sind gebrochene Menschen, seine Schwester Jas rebelliert und Jamie selbst vermisst Rose nicht ein winziges Stück, schließlich kann es sich nicht einmal wirklich an sie erinnern. Als er nun mit seinem Vater, Jas und seinem geliebten Kater Roger aus London wegzieht, ist er voller Hoffnung auf Besserung, doch stattdessen muss er sich jeden Tag aufs Neue durchbeißen und findet ausgerechnet bei einem Menschen Halt, den er niemals mögen dürfte.

Für mich ist My Sister Lives on the Mantelpiece ein Werk, das herzerweichender kaum sein könnte. Annabel Pitcher kreierte eine Geschichte, die durch und durch unter die Haut geht, Tränen in die Augen treibt und beim Leser den dringlichen Wunsch eines Happy Ends auslöst.

Als Erzähler tritt Jamie selbst auf, was der Geschichte einen absolut goldigen Anstrich verleiht, dessen Strahlkraft über jeden Rückschlag, jede Gemeinheit hinwegleuchtet. Die kindliche Erzählweise, die durch eine messerscharfe Ehrlichkeit, eine unerschütterliche Hingabe sowie eine infantile Naivität bereichert wird, bringt ein Schicksal auf den Punkt, welches stellvertretend für die Verletzlichkeit von Kinderseelen steht.

Die von Annabel Pitcher modellierten Protagonisten erfüllen die verschiedensten Rollen und polarisieren dabei. Selten zuvor hätte ich lieber meine Hand schützend über eine Figur gelegt als im Falle von Jamie. Die Last, die er zu (er-) tragen hat, spürte ich während des Lesens deutlich auf meinen eigenen Schultern und in meinem Herzen. Sunya und Jas sind für mich ebenfalls wahre Helden, während ich die Kälte der Mutter als unsagbar schwer zu akzeptieren empfand.

Geliebte Menschen loszulassen, stellt eine unüberwindbar scheinende Hürde dar und jeder Mensch muss einen eigenen Weg finden, damit umzugehen. Die Autorin zeigt in diesem Buch, wie notwendig es ist, Abschied zu nehmen und darüber hinaus nichtsdestotrotz weiterzuleben. Zusammenhalt, Vertrauen und Hoffnung sind nach einer solchen Erschütterung unabdingbar. Alles andere wäre fatal!

Jamies Geschichte erzählt davon, dass der Glaube Berge versetzen kann; dass wahre Freundschaft einem Sprungtuch nach freiem Fall gleicht; und dass – auf lange Sicht gesehen – schmerzliche Wahrheiten heilender sind als verzweifelt aufrechterhaltene Illusionen.

Ein Buch für Klein und Groß, das lachen und weinen, glauben und verzweifeln, innehalten und kämpfen lässt. Eine Erzählung, die in einem Moment süß wie Honig auf der Zunge zergeht und im nächsten Augenblick einen gallebitteren Beigeschmack hat.

F★ZITFragil. Herzerwärmend. Erfüllend.