Agnes Hammer: Ich blogg dich weg!
Hierbei handelt es sich um ein Buch, das klar Stellung bezieht. Stellung zu einer Problematik, die unsere Gesellschaft betrifft und ohne Zweifel aufgrund akuter Aktualität nach Aufklärung, Prävention und Handlungsbedarf ruft.
Die Autorin widmet sich der ungeschminkten Erschütterung, die Mobbing, ob on- oder offline, mit sich bringt. Dabei urteilt sie nicht einseitig, sondern analysiert mit Fingerspitzengefühl.
Eine Geschichte, deren Fiktion oftmals und vielerorts der Realität zu nahe kommt. Zeit, Courage zu zeigen, denn das ist wirklich cool! Höchste Zeit, genau das den Kindern und Jugendlichen zu vermitteln!
~ Rezension ~
Wenn
aus einem vermeintlichen Scherz bitterer Ernst wird ...
Mit
ihrer Ausstrahlung und ihrem musikalischen Talent hat es Julie bisher
weit gebracht. Sie singt in einer eigenen Band, die sich regionaler
Beliebtheit erfreut. Als Julies Bruder Noah die Band für ein
Austauschjahr verlässt, beginnt die Suche nach einem neuen
Schlagzeuger. Zeitgleich beginnt auch die Hölle über Julie
hereinzubrechen. Schlagartig erhält sie anonyme Drohungen per
E-Mail, die nach und nach eine virtuelle Welle des Zorns lostreten. Jene Hetzkampagne schlägt bald gar in reale Gewalt um und raubt Julie brutal jegliche Unbeschwertheit.
Dem
wichtigen und bedauerlicherweise stets mehr in den Fokus rückenden
Thema „(Cyber-) Mobbing“ verleiht Agnes Hammer
mit Ich blogg dich weg!
eine deutlich Stellung beziehende Stimme, die Zeichen setzt.
Das
Grundgerüst der Geschichte ist rasch erzählt: Beliebtes Mädchen
wird Opfer gemeiner Verleumdungen auf diversen Online-Plattformen und
wie ein Lauffeuer schlägt die anonymisierte Gewalt in reale
Ausgrenzung und tätliche Übergriffe um. Doch die Feinheit des Buches
steckt in den vielschichtig betrachteten Perspektiven, welche die
Autorin präsentiert.
Die
Erzählungen werden aus Sicht sämtlicher Beteiligter – Opfer,
beistehende Familie und Freunde, Täter, Mitläufer, Zivilcourage
zeigende Beobachter – wiedergegeben. Dadurch entwickelt sich ein
Strudel aus Verstrickungen, der das entstehende Herzklopfen, die
wachsende Wehrlosigkeit und die Überhand nehmende Woge der Gewalt
vom Abstrakten ins Greifbare wandelt. Ein Effekt, der mich als Leser
im Hier und Jetzt abholte.
Die
exemplarische Darbietung an Gefühlen, welche die Lawine des Mobbings
mit sich bringt, ist ein weiterer Faktor, den ich als sehr gelungen dargeboten empfand. Scham, Machtlosigkeit und Auslieferung, Mut,
Geborgenheit und Offenbarung, Eifersucht, Missgunst und Hass – mit
all jenen Komponenten staffiert Agnes Hammer ihre individuell
gestalteten Charaktere aus.
Dass all unsere Entscheidungen und Handlungen Verantwortung bedürfen und Konsequenzen nach sich ziehen, wird ebenso betont wie die dringliche Aufforderung, sich nicht allein einer sich zusammenraufenden Übermacht stellen zu wollen. Was jedoch im offen gestalteten Ende nicht gesondert betrachtet wird, sind die späteren Folgen, denen sich Opfer und Täter zu stellen haben.
Sprachlich
orientiert sich das Buch offenkundig am lockeren und umgangssprachlichen Gebrauch
der heutigen Generation an Teenagern, wodurch Glaubwürdigkeit
transportiert wird. Einzig der mitschwingenden Respektlosigkeit
gegenüber den Lehrern, die ich heraushörte, stehe ich zwiegespalten gegenüber. Diese passt zwar zum Grundton der Geschichte, entspricht allerdings nicht meinem persönlichen Verständnis vom Umgangston mit Respektpersonen.
Ein
Werk, das definitiv als Pflichtlektüre Einzug in die Lehrpläne
unserer Schulen halten sollte! Denn die inhaltliche Botschaft ist zu
bedeutsam, um nicht gelesen und ausgiebig reflektiert zu werden. Dass
die dringende Notwendigkeit besteht, sich mit der Problematik
„Ausgrenzung und Mobbing“ auseinanderzusetzen, steht außer Frage und wird uns in
trauriger Regelmäßigkeit vor Augen geführt.
F★ZIT: Stark.
Exemplarisch. Treffend.