Wäis Kiani: Hinter
dem Mond
Das Rezensionsexemplar dieses Buches flatterte mir durch eine Leserunde bei LovelyBooks ins Bücherregal.
Der von Hoffmann und Campe verlegte Roman erzählt die bewegende und vielschichtige Geschichte der jungen Perserin Lilly, die aus einer heilen Welt herausgerissen wird, um nach Teheran - was gleichzusetzen ist mit "hinter dem Mond" - zu ziehen.
Ich habe das Buch gern gelesen, auch wenn es mich in gewisser Hinsicht doch überrascht hat. Ehrliche Einblicke in die (uns Europäern) fremde Kultur hatte ich erwartet, ebenso die vielen Emotionen. Doch der angeschlagene Ton und die nicht vorhandenen menschlichen Werte hätte ich so nicht erwartet. Nichtsdestotrotz oder gerade deshalb eine Reise, die sich lohnt!
~ Rezension ~
Zwischen
zwei Welten
1970er
Jahre, Ostfriesland: Die neunjährige Lilly lebt mit ihren persischen
Eltern in einem ländlichen Idyll, in dem Kinder noch mit Schmutz an
den Kleidern und Schürfwunden an den Knien zufrieden vom Spielen
zurückkehren dürfen.
Doch
dann verschlägt es das lebhafte Mädchen in eine vollkommen andere
Welt, als ihre Eltern beschließen, zurück in den Iran zu ziehen.
Dort herrschen strenge Sitten und für Lilly völlig befremdliche
Umgangsformen. Die Sprache, das Essen, die Menschen – all das ist
ihr zuwider, denn sie fühlt sich um den Luxus der eigenen Freiheit
gebracht.
Ein
politischer Umbruch, dessen Folgen die Bevölkerung – besonders die
junge Generation – tief im Mark erschüttert, tut das Übrige, um
Lillys Verachtung zu schüren.
Wäis
Kiani kreierte mit Hinter dem Mond ein starkes Werk, welches
von Gegensätzen nur so geprägt ist. Kulturen und individuelle
Einstellungen prallen aufeinander.
Lilly
wird als charakterstarke Hauptfigur gezeichnet. Als Leser fühlte ich
einerseits sehr mit ihr, anderseits erschreckte mich ihre respektlose
Haltung gegenüber Gott und der Welt. Ein Widerspruch, von dem das
Buch lebt. Lillys Schicksal berührt und lässt einen zugleich den
Kopf schütteln. Ihren Weg prägen Respektlosigkeit und Widerwillen
kombiniert mit dem verwurzelten Wunsch nach Anerkennung und
Geborgenheit.
Es
ist besonders auffällig, wie sehr der oberflächliche Schein und das
Streben nach Luxus im Vordergrund stehen, während das
zwischenmenschliche Miteinander vorwiegend von verbalen und
körperlichen Übergriffen dominiert wird. Die Sprache – sowohl die
Situationsbeschreibungen als auch die Dialoge – spielen in diesem
Buch daher in vielerlei Hinsicht eine tragende Rolle.
Der
Autorin gelingt es, die Sicht eines widerwilligen Teenagers inmitten
großer, rauer und interkultureller Kulisse authentisch aufzuzeigen. Die Darstellungen lassen den Leser des Öfteren ins
Grübeln kommen. In Erinnerung werden vor allem die tiefe familiäre
Feindseligkeiten sowie das Festhalten an trivialen Luxuswerten
bleiben.
Weder
Land noch Leute werden betont sympathisch gezeigt, doch gerade diese
Tatsache gibt den Anstoß zum Nachdenken.
F★ZIT: Aufwühlend.
Rebellierend. Unverhüllt.