Annika Bühnemann, Autorin des unterhaltsamen Romans Auf die Freundschaft, rief im vergangenen November zu einem Preisausschreiben auf, das meine Aufmerksamkeit sofort gewann. Es ging darum, die aus dem Roman bekannten Figuren in einer kleinen Episode entsprechend in Szene zu setzen.
Nun läutete sie das neue Jahr mit der Bekanntgabe der drei ersten Plätze ein. Ich schließe mich hier an und zeige euch [denjenigen, die ihn lesen möchten] einfach einmal meinen (mit dem zweiten Platz belohnten) Beitrag. Denn so ziemlich mit einem Schlag hatte ich jene magische Eingebung, die sich schlichtweg logisch anfühlte. Diese wiederum auf nur maximal drei Seiten auf den Punkt zu bringen, war dann die zugegebenermaßen größere Herausforderung.
Herzlichen Dank Annika Bühnemann für eine solch schöne Idee! Herzlichen Glückwunsch der Gewinnerin und ein Dankeschön allen Teilnehmern und Juroren! Denn ohne all die an den Tag gelegte Kreativität und Muße eurerseits wäre Annikas Aktion nur halb so lebendig gewesen.
Nun läutete sie das neue Jahr mit der Bekanntgabe der drei ersten Plätze ein. Ich schließe mich hier an und zeige euch [denjenigen, die ihn lesen möchten] einfach einmal meinen (mit dem zweiten Platz belohnten) Beitrag. Denn so ziemlich mit einem Schlag hatte ich jene magische Eingebung, die sich schlichtweg logisch anfühlte. Diese wiederum auf nur maximal drei Seiten auf den Punkt zu bringen, war dann die zugegebenermaßen größere Herausforderung.
Herzlichen Dank Annika Bühnemann für eine solch schöne Idee! Herzlichen Glückwunsch der Gewinnerin und ein Dankeschön allen Teilnehmern und Juroren! Denn ohne all die an den Tag gelegte Kreativität und Muße eurerseits wäre Annikas Aktion nur halb so lebendig gewesen.
Hier nun also mein Beitrag zum Preisausschreiben:
Auf
die Freundschaft – Ein magischer Moment
Kora Kutschbach
Es
würde ein Mädelsabend werden, den sie nie – Hannah hatte
es mehrfach vehement betont – niemals vergessen würden. Und
sie hatte, dem unablässigen Nachbohren ihrer drei Freundinnen zum
Trotz, bis zum jetzigen Moment, in dem das Taxi die vier Frauen vor
ihrem Lieblingsrestaurant abholte, geschwiegen wie ein Goldfisch. Sie
hatte die Lippen versiegelt gehalten.
Die
Idee zu jenem, wie sie selbst fand, Abend der Kategorie „Extraklasse“
war ihr kurz nach dem Showdown gekommen, der sich zwischen Claudia
und ihrem Ach-so-reumütigen-einst-vom-Staat-angetrauten Ken
abgespielt hatte. Nicht nur die beinahe von Claudia gewetzten
Filetiermesser, sondern eben auch der in der Luft liegende und zum
Schneiden dicke Reizfaktor aus Stress, Entrüstung und grollenden
Rachegedanken, die nur sachte verebbten, hatten Hannah zu folgendem
Schluss kommen lassen: Die vier Freundinnen – allen voran Claudia –
hatten eine Auszeit bitter nötig. Da kam es ihr äußerst gelegen,
dass ihr ein Anwaltskollege – zwar nicht gänzlich ohne
Hintergedanken, aber immerhin – doch glatt vier Karten der heiß
begehrten Mind-blowing Magic Show spendiert hatte. Eine
wahnsinnig gute Show voller Illusionen und Knalleffekte, die Claudia,
Karin, Maria und Hannah mit Sicherheit in eine andere Sphäre
katapultieren würde. Wann, wenn nicht eingetaucht in eine Kulisse
wie diese, könnte wohl offenkundiger behauptet werden, alle Probleme
würden wie von Zauberhand ausradiert?
Als
Hannah dann während der Taxifahrt durch die mit gleißendem
Abendlicht gefluteten Straßen das wohl gehütete Geheimnis lüftete,
blickte sie in Gesichter, die dem des Gemäldes Der Schrei von
Edvard Munch haargenau glichen. Allerdings war der Gesichtsausdruck
ihrer drei Begleiterinnen in vollem Umfang der schier sprachlos
machenden Begeisterung zuzuschreiben. Nicht einem blanken Entsetzen.
Karin schluckte heftig. Marias tellergroßen Augen wurden von einem
hektischen Blinzeln geziert. Claudia klappte der Mund auf und zu.
Schließlich
fand sie dann doch als erste die Worte wieder: „Hannah, du
verrücktes Huhn, ich … ich weiß gar nicht, was ich sagen soll? Du
… du bist genial.“
„Weiß
ich doch!“, entgegnete Hannah verschmitzt selbstbewusst, „Ehrlich,
ihr müsstet euch sehen, Mädels. Zu ulkig. Stellt euch vor, ich
hätte uns Karten für die Chippendales organisiert, dann wärt
ihr aus der Gesichtslähmung gar nicht mehr herausgekommen.“
„Quatsch,
Mind-blowing Magic ist eine Million Mal besser“, schaltete
sich jetzt Karin ein, „ich liebe dieses Quäntchen Zauberei, das
uns alles um uns herum vergessen lässt.“
Gesagt,
getan. Treffender hätte Karin es wohl kaum prophezeien können. Die
vier Freundinnen saßen, wenngleich es wenig ladylike wirkte, mit
offenen Mündern und in die Stuhlpolster gekrallten Fingern in der
ersten Reihe der Show. Sie kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus.
Claudia hatte in der Zwischenzeit die Haltung eines professionellen
Skispringers kurz vorm Erreichen des Schanzenendes eingenommen.
Fasziniert folgte sie dem Geschehen auf der Bühne. Bis ...
„Lady.
… Lady? Ja, Sie!“
Jetzt
fühlte Claudia sich tatsächlich angesprochen und von zwei
stahlblauen, mystisch wirkenden Augen förmlich durchbohrt. Sie
schluckte, stand – wie von einem Puppenspieler geleitet auf –,
zupfte sich ihren Blazer zurecht, warf ihr Haar in den Nacken und
lächelte ihrem Gegenüber freundlich zu.
„Dürfte
ich Sie vielleicht mit zu mir auf die Bühne bitten?“, fragte
Dylan, ihr charismatischer Gastgeber des Abends, mit bestechend
sympathischem britischen Akzent.
„Ja,
natürlich. Gern.“ Mehr Worte kamen Claudia nicht über die Lippen.
Schwebte sie?
„Lady,
mit wem habe ich das Vergnügen?“, hakte Dylan interessiert nach.
„Mein
Name ist Claudia.“
„Sie
meinen Claudia wie Claudia Schiffer? Dann darf ich mich heute Abend
wahrhaftig wie der große David Copperfield fühlen.“ Ein
erheitertes Raunen ging durch den Saal. Claudia lächelte noch ein
wenig breiter, während ihre Freundinnen ihr eifrig zuwinkten.
Träumte sie?
„So,
liebe Claudia, ich habe mir in den Kopf gesetzt, diesen Abend für
Sie zu einem unvergesslichen zu machen“, holte Dylan vielsagend
aus. „Wie wäre es, wenn wir gemeinsam ein Experiment wagen würden?
Was meinen Sie?“
„Ja.
Sehr gern“, entgegnete Claudia noch immer etwas perplex.
„Perfekt.“
Daraufhin
bat Dylan Claudia, sich eine ihrer Jugendsünden bildlich wieder in
Erinnerung zu rufen. Ooo-kay, dachte sie leicht irritiert.
Claudia musste jedoch gar nicht lange überlegen. Augenblicklich
schweiften ihre Gedanken zu diesem vermaledeiten Tattoo, das seit
ihrer Verlobung mit Ken den Ansatz ihres großen Zehs am linken Bein
zierte. Damals hatte sie wahrhaftig an die ewige Liebe geglaubt und
sich Kens Namenszug in Form eines Zehenrings in die Haut stechen
lassen. Lächerlich. Und spätestens seit ihrer Trennung eine Schmach
bei jeder Pediküre, wenn die Kosmetikerin sie auf diesen originellen
Liebesbeweis ansprach.
Jedenfalls
wusste Claudia nicht erst seit heute, dass dieses Tattoo ebenso
penetrant lästig war wie Kens ausufernden Märchenstunden. Vor ihrem
geistigen Auge erschien nun also ihr tätowierter Zeh. Dylan bat sie
jetzt das Bild in ihrem Kopf auf ein Blatt Papier zu skizzieren, es
zu signieren und das Blatt anschließend in ein Kuvert zu stecken.
Während das Kuvert von einer hübschen Assistentin in Gewahrsam
genommen wurde, baute sich Dylan vor Claudia auf und schaute ihr tief
in die Augen.
„Claudia,
bitte stellen Sie sich jetzt vor, wie die von Ihnen aufgezeichnete
Jugendsünde ihr Leben verändert hat!“
Ruhe
im Saal. Claudia glaubte, jeder einzelne Zuschauer hätte ihren
hämmernden Herzschlag hören können.
„Denken
Sie nun fest daran, wie es gewesen wäre, hätten Sie damals
rechtzeitig die Notbremse gezogen!“
Claudia
schaute Dylan in die Augen. Mit höchster Konzentration. Während der
Magier weiterhin gebannt in Claudias Augen sah, begann er allmählich
sich seiner eigenen Schuhe und dann der Strümpfe zu entledigen.
Anschließend ging er langsam in die Hocke und legte seine Hände auf
ihre auberginefarbenen Pumps. Claudias Blick war auf Dylans Hände
fixiert. Ihre Kinnlade klappte nach unten. Ganz unwillkürlich. Doch
dann besann sie sich, dass nicht nur der Scheinwerfer, sondern
mindestens 3.000 Augenpaare auf sie gerichtet waren. Abrupt schloss
sie ihren Mund, konnte es allerdings nicht lassen, sich nervös auf
die Unterlippe zu beißen.
Sekunden
später stand Dylan erneut lächelnd vor Claudia und forderte sie
auf, das Geheimnis um ihre nun „verblichene Jugendsünde“ zu
lüften. Die Assistentin reichte ihr das Kuvert und Claudia förderte
das Blatt Papier mit ihren nicht gerade preisverdächtigen
Zeichenkünsten zutage. Nichtsdestotrotz waren ein Fuß samt
Körperbemalung ansatzweise klar zu erahnen. Mit etwas Fantasie
allemal.
Nun
meinte der Magier, Claudia solle bitte einmal ihre Pumps, dann ihre
Nylonstrümpfe ausziehen und dem Publikum das Original der Sünde
präsentieren. Gespannt folgte sie in Windeseile den Anweisungen.
Dann stockte ihr der Atem. Schockschwerenot. Das Tattoo war
verschwunden. Nicht mehr da. Weg! Claudia hatte alle Mühe, dass sie
jetzt nur nicht in Schnappatmung verfiel. Unfassbar. Wie in Stein
gemeißelt stand sie auf der Bühne und starrte auf ihren Fuß.
Was
sie seit Ewigkeiten mehr oder weniger erfolgreich versucht hatte, war
Dylan binnen Sekunden gelungen. Er hatte Ken aus Claudias Leben
ausradiert. Endgültig. Ohne großes Tamtam. Schlichtweg nicht zu
glauben. Claudia fehlten die Worte, während es ihre Freundinnen
nicht mehr auf den Stühlen hielt. Sie johlten, pfiffen und
klatschten in die Hände als stünden leibhaftig die Chippendales
vor ihnen auf der Bühne. Nein, das hier war besser. Viel besser.
Phänomenal.