Andrej Longo: Das
Sonnenblumenfeld
Ein Stück italienisches Flair samt Verve, Sinnlichkeit und Wärme hält man mit diesem Werk in Händen. Doch nicht weniger verbirgt sich hinter dem sonnenblumengelben Umschlag eine Geschichte gespickt von Verzweiflung und erschütternder Kurzschlussreaktion. Bildlhaft gesprochen würde ich sagen, dass Emotionen in sämtlichen Farben des Regenbogens komprimiert und dennoch transparent verpackt die Stärke dieser Geschichte sind. Und davon kann ich nahezu nie genug bekommen.
Eine persönliche Affinität zu Sonnenblumen tat wahrscheinlich ihr Übriges, um dieses Buch im Nachhinein mit einer aufschlussreichen Reise nach Italien zu verbinden.
~ Rezension ~
Zwischen
strahlender Liebe und grollendem Zorn
Die
hübsche, willenstarke Caterina und der schüchterne, herzensgute
Schusterjunge Lorenzo sind füreinander bestimmt. Das wissen sie seit
dem ersten tiefen Blickkontakt auf dem Fest des Bürgermeisters. Doch
aufgrund der Missgunst des eigenen Vaters und des aufdringlichen
Verehrers Fellone halten die beiden ihre Gefühle geheim.
Als
die Beziehung eines Tages dennoch publik wird, schäumt Fellones
Eifersucht über und er fasst einen Entschluss. Ein niederträchtiger
Plan wird geschmiedet und lässt die Beteiligten einen hohen Preis
zahlen.
Das Sonnenblumenfeld ist ein
klassisches Drama um eine aufblühende Liebe. Ich fühlte mich
unweigerlich an Shakespeares Romeo
und Julia erinnert. Der
Grundtenor ist der Gleiche, wobei sich Andrej Longo sehr gut darin
versteht, die mitreißende Lebenslust aber auch die
gesellschaftlichen Tücken des modernen Italiens in die Geschichte
einzuflechten.
Aufflammende
Zuneigung und melodische Harmonie kommen ebenso zur Geltung wie
aufwühlende Zweifel und untrügliche Gewalt. Eine Melange an
Emotionen, welche durch die Bandbreite an individuellen Charakteren
getragen wird.
Ein
besonderes Merkmal dieses Romans, das mir wie ein warmer Hauch
entgegenwehte, ist die Wortmalerei, mit derer Longo nicht nur ein
unvergleichbares Lebensgefühl einfängt oder mit dem Schicksal
hadert, sondern ebenso geschickt auf Missstände aufmerksam macht.
Jener komprimierten Bildhaftigkeit steht der Schreibstil, der
generell einfach und bündig gehalten ist, gegenüber. Dies verleiht
der Rhetorik alles in allem eine angenehme Leichtfüßigkeit.
Die
Komposition aus unterschiedlichen Handlungsebenen, Zeitsprüngen und
Schicksalen, die sich früher oder später kreuzen, lassen zum einen
in die Gedanken und Gefühle der Figuren eintauchen, verraten zum
anderen jedoch nicht endgültig alle Details. Daher ist es am Leser
selbst, ein abschließendes Resümee über Moral und Gerechtigkeit zu
ziehen. Denn auch das offen gehaltene Ende erlaubt Spekulationen.
Insgesamt
ist dies ein Roman, der einerseits die Klischees einer italienischen
Romanze aufleben lässt, anderseits eine große Eigenständigkeit,
Intensität und Symbolik ausstrahlt – ganz wie die Sonnenblume. Ein
modernes Drama, welches berührt, schockiert und zum Lächeln bringt.
F★ZIT: Sinnbildlich.
Energisch. Schlicht.