"Wer bereits als Kind die Welt zwischen den Zeilen für sich entdeckt, geht auch später gern als Abenteurer durchs Leben." {Creativity First}

Montag, 18. August 2014

[Rezension] Sieben Minuten nach Mitternacht (P. Ness & S. Dowd)

Patrick Ness & Siobhan Dowd: Sieben Minuten nach Mitternacht 

Ein Roman, der Jung und Alt miteinander vereint. Vereint, weil er gemeinsame Momente großer Zerreißproben ebenso fokussiert wie den Rückhalt, den wir in den traurigsten Augenblicken des Lebens finden.
Mit ihrem Werk schaffen Patrick Ness und Siobhan Dowd ein mit dem Deutschen Jugendliteratur Preis ausgezeichnetes Sprachrohr. Eines, das die Angst vor dem Endgültigen vergegenwärtigt und damit die Dankbarkeit für die Zeit vor jener Endgültigkeit umso stärker herauskristallisiert.


~ Rezension ~

Das unerbittliche Ticken der Uhr des Lebens ...

Jede Nacht geschieht es. Immer wieder. Um sieben Minuten nach Mitternacht. Was Conor erst nicht glauben kann, ist nur zu real: Vor seinem Zimmerfenster steht ein Monster. Ein echtes schauderhaftes Monster, das zu ihm spricht. Was will dieses Monster? Was immer es sein mag, es kann niemals so schlimm sein, wie der grässliche Albtraum, der Conor sein Monaten plagt und der ihn jedes Mal zu Tode erschreckt. Nein, vor einem Monster hat Conor schon lange keine Angst mehr! Dort draußen, bei Tageslicht, gibt es außerdem ganz andere Dinge, vor denen er sich fürchtet. Trotzdem, warum kommt dieses knarrende alte Monster jede Nacht und dringt in seinen Verstand ein?

Sieben Minuten nach Mitternacht von Patrick Ness und Siobhan Dowd erzählt eine berührende und ehrliche Geschichte für die ganze Familie, die Innerstes nach außen kehrt und ein Stück Unsterblichkeit in sich trägt. 

Protagonist Conor O'Malley ist ein tapferer Junge, der ein Geheimnis mit sich trägt. Außerdem bereitet ihm seine Mum große Bauchschmerzen, denn sie ist krank. Sehr krank. Eine Wahrheit, die Conor zwar erkennt, sie allerdings unter keinen Umständen akzeptieren möchte und kann. Mit aller Macht klammert er sich an die Hoffnung, dass alles wieder gut wird, und an die Worte seiner Mum, die im versichert, nicht zu gehen.

Mit dem Porträt Conors schafft das Autorenduo einen Charakter, der das Abbild einer Realität ist, die schmerzhafter kaum sein könnte. Conors Geschichte bietet damit hohes Identifikationspotential und spendet Trost.
Die unausweichliche Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex "Akzeptanz von Krankheit und Tod" wird auf unverblümte und zugleich behutsame Weise an die Leser herangetragen. Die allgegenwärtige Angst vor dem Ungewissen, dem Verlust, dem Alleinsein wird hierbei ebenso herausgestellt wie die Bestärkung, sich einander anzuvertrauen. Den Autoren gelingt damit eine aufrichtige und vor allem generationsübergreifende Sensibilisierung. Eine Komplexität, die mittels großem Fingerspitzengefühl transportiert wird.

Die Geschichte selbst beinhaltet sowohl klare Offensichtlichkeit als auch zwischen den Zeilen Befindliches. Damit verschwimmen, wie auch in Conors Kopf, die Linien zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Zwei Welten, mit denen jeder im Kampf gegen eine Krankheit brutal konfrontiert wird. Ein weiterer Aspekt, der die Ehrlichkeit dieses Buchs hervorhebt.

Hinzu kommen die in Grau- und Schwarztönen gehaltenen Illustrationen von Jim Kay. Diese fangen die Verwirrung, das Sträuben und letztlich auch die Reflexion des Unausweichlichen im Allgemeinen und Conors Blick auf seine Welt im Speziellen ein.

Dass Autorin Siobhan Dowd 2007 selbst den eisernen Kampf gegen den Krebs verlor und Patrick Ness sich ihren Anfängen zu diesem Roman annahm und das Werk in ein ausdrucksvolles Buch verwandelte, kann gar nicht hoch genug angerechnet werden. Denn damit ist, wie ich finde, ein beeindruckender Roman entstanden, dessen Schmerz und Willenskraft realer kaum sein könnten.

Insgesamt ein Buch, dessen Botschaft unter die Haut geht und trotz des traurigen, ernsthaften Grundtenors Mut macht und Kraft gibt: Mut, an das zu glauben, was einem Hoffnung gibt. Kraft weiterzumachen, wenn dieser Glaube erschüttert wurde.

FZIT: Offenbarend. Tröstlich. Symbolhaft.