Sebastian Fitzek: Der Nachtwandler
Da mir ein gepflegter (Psycho-) Thriller von Zeit zu Zeit recht willkommen ist und ich bisher schon einiges (verstörend) Gutes über die Werke, mit denen Sebastian Fitzek seine Lesergemeinde zu überzeugen weiß, gehört habe, schlug nun mein Stündchen. Wenn schon, denn schon. Ich überlegte es mir daher nicht zweimal, als sich kürzlich die Gelegenheit ergab, "Der Nachtwandler" (aus dem Hause Droemer Knaur) von ihm zu lesen.
Ein Buch, das es zweifelsohne in sich hat und eine Atmosphäre heraufbeschwört, welche selbst manche Grenze einer dunklen Fantasie zu überschreiten vermag. Ein Thriller, der den wachen Zustand seiner Leser empfiehlt ...
~ Rezension ~
Wenn
der Albtraum zur Realität und damit die Realität zum Albtraum wird.
Als
ihn seine Frau Natalie überstürzt und vor allem gezeichnet von den
brutalen Spuren ungezügelter Gewalteinwirkung verlässt, bricht für
Leon eine Welt zusammen. Denn er ist vollkommen ahnungslos, wie es so
weit kommen konnte. Doch ein grauenvoller Verdacht lässt ihn
schaudern: Gerät sein nachtwandelndes Ich, das ihn seit seiner
Kindheit im Schlaf unberechenbar macht, zusehends außer Kontrolle?
Leon braucht Gewissheit. Dafür entschließt er sich zu einem mutigen
Schritt, der ihm alles abverlangt und ihn in eine Welt katapultiert,
die tiefste Abgründe zutage fördert. Leon ist fassungslos. Er droht
den Verstand zu verlieren, als er erkennt, dass er allein mit sich
und seinem schlafenden Ich ist. Ein Zustand, bei dem mit einem Schlag
seine gesamte Existenz auf Messers Schneide steht und es um Leben und
Tod geht.
Sebastian Fitzek ist für seine Psychothriller bekannt. In Der Nachtwandler
seziert er förmlich die Düsternis, welche die menschliche Seele wie
schwerer Teer, der einem die Luft zum Atmen nimmt, umhüllt.
Mit
hoher Präzision und ohne ausufernde Umschweife kreiert Sebastian
Fitzek eine unglaublich beängstigende Grundatmosphäre, der nicht
nur der Hauptcharakter Leon wie betäubt ausgeliefert ist, sondern
die im gleichen Maße den Leser fordert.
Die
Kulisse – ein augenscheinlich gewöhnliches Mehrfamilienhaus –
entpuppt sich rasch als gemauerte Hölle, deren Feuer heiß lodert.
Zwielichtige Bewohner, eine unfassbar groteske Architektur und
schauderliche Geheimnisse des Verborgenen bilden die Schlinge, welche
sich immer enger um den Hals des erschütterten Protagonisten zieht.
Mithilfe
der Thematik des Schlafwandelns baut der Autor auf einem Fundament
auf, das die Grenzen zwischen real und abstrakt, plausibel und
unerklärlich, gut und böse aufs Höchste verschwimmen lässt. Eine
Tatsache, die in diesem Thriller zu einem markanten Stilmittel wird,
das den Zündstoff für das zwischen den Zeilen explodierende
Feuerwerk an Unglaublichkeiten liefert. Bis zum bitteren Ende (und
darüber hinaus) erhält Sebastian Fitzek jenen Spannungsbogen, der
sich durch Schmerz, Sehnsucht und Selbstinszenierung charakterisiert.
Für
mich war während des Lesens vor allem die allumfassende Akribie, mit
welcher der Autor die Konstante der Ungewissheit schildert, beeindruckend. Der damit am Leben erhaltene pulsierende
Schwebezustand des schlafwandelnden Leons überträgt sich somit
unmittelbar auf den Leser.
Ein
Thriller, der ohne Zweifel alles andere als verschlafen daherkommt.
Vielmehr werden menschliche Grundfeste erschüttert, Grenzen
irreversibel überschritten und Grauzonen einer Schattenwelt
geschaffen. Eine Lektüre, die dem Sprichwort „Licht ins Dunkel
bringen“ einen herben Beigeschmack gibt.
F★ZIT: Akribisch. Erschreckend. Manipulativ.