Der seit Generationen bekannten Autorin Mirjam Pressler gelang es, mit jenem Werk eine Stück Lektüre für Heranwachsende und Erwachsene gleichermaßen zu schaffen, dessen Thematik keinesfalls leichte Kost darstellt.
Messerscharf und entwaffnend offenbart die Autorin Einblicke in die zerrissene Seele einer Protagonistin, die sich den verdrängten und dennoch allgegenwärtigen Schatten der Vergangenheit stellen muss, um zu verstehen, zu vergeben, loszulassen.
Messerscharf und entwaffnend offenbart die Autorin Einblicke in die zerrissene Seele einer Protagonistin, die sich den verdrängten und dennoch allgegenwärtigen Schatten der Vergangenheit stellen muss, um zu verstehen, zu vergeben, loszulassen.
Danke dem Beltz & Gelberg Verlag für dieses Exemplar!
~ Rezension ~
Die
eine Erinnerung, die du dir eingestehen musst, ehe du dich selbst
verlierst.
Marie
umgab eine gebieterische Aura, die ihre Schwester Anne zum einen
hasste, zum anderen jedoch Anlass zur Eifersucht gab. Schon als
Kinder waren die beiden Mädchen wie Feuer und Wasser. Eine
Beziehung, die für Spannung und Missgunst, Verletzung und Neid
sorgte. Als Marie dann als Teenager von einem Tag auf den anderen
spurlos verschwand, legte sich ein Schleier aus Taubheit, aber auch
der Rebellion um Anne. Bis heute verfolgen sie nicht nur Erinnerungen
an ihre verschollene Schwester, sondern die deutliche Stimme Maries,
die ihr bis jetzt – sieben Jahre nach dem ungeklärten Vorfall, der
die Familie in eine Schockstarre versetzte – zermürbende Vorwürfe
macht. Doch was ist real und was findet ausschließlich in Annes Kopf
statt? Nur ein letzter Schritt wird die entscheidende Klarheit
bringen!
Mit
brennender Intensität und unverhohlener Ernsthaftigkeit schmückt
Mirjam Pressler
ihr Jugendbuch Wer morgens lacht
aus. Eine Familiengeschichte mit großem Tiefgang wird erzählt und
hinterlässt ihre Spuren.
Unerschrocken
und zum Teil erschreckend ehrlich gewährt die Protagonistin Anne,
die sich als Kind stets als das fünfte Rad am Familienwagen fühlte
und deren Teenagerzeit vom unerklärlichen Verschwinden ihrer
Schwester überschattet worden ist, Einblicke in ihr Seelenleben.
Eine emotionale Berg- und Talfahrt beginnt, als sie sich dazu
entschließt, endlich den Geistern der Vergangenheit die Stirn zu
bieten. Marie lernt der Leser ausschließlich aus Erzählungen
kennen, die einen gallebitteren Beigeschmack hinterlassen. Insgesamt
spielen Familienbanden eine signifikante Rolle, zeigt die Autorin mit
viel Empathie wie unterschiedlich eine solches Netzwerk gestrickt
sein kann.
Der
Leser begibt sich gemeinsam mit Anne auf eine Reise, die von
subjektiven Empfindungen, Wünschen und Hoffnungen gespickt ist.
Dabei wird stets in eine Welt abgetaucht, die den Facettenreichtum
zwischenmenschlicher Beziehungen herausstellt. Zum Teil verschwimmen
Realität und Vorstellungskraft durch ein Gewissen, das mithilfe der
lebhaften Erinnerungen an Marie personifiziert wird.
Dass
es sich hierbei um ein Buch handelt, welches ernste, unsanfte und
schockierende Töne anschlägt, muss dem (jungen) Leser bewusst sein.
Lethargie einerseits, aktive Anteilnahme anderseits werden in die
Waagschale geworfen. Trostlosigkeit, Verzweiflung, Machtlosigkeit
pflastern einen Weg, an dessen Ende eine Serie von Enthüllungen
steht, die aufhorchen lassen, nachdenklich stimmen.
Mithilfe
eines durch Redewendungen und Lebenserfahrungen an Plastizität
gewinnenden Schreibstils, der zugleich mit unverschnörkelter
Präzision aufwartet, transportiert Mirjam Pressler die kreierte
Atmosphäre ohne Mühen. Auffällig ist ebenfalls die Entscheidung
der Autorin, die wörtliche Rede ohne die üblichen Satzzeichen in
den Text zu integrieren, was sowohl Irritation als auch Konzentration
nach sich ziehen kann.
Mich
berührte die Gedankenfülle dieses Werkes auf den
unterschiedlichsten Ebenen sehr, wobei Mitgefühl und Sprachlosigkeit
sich die Klinke in die Hand gaben. Eine Geschichte, deren
Endgültigkeit unergründlich zu sein scheint und welche die Fragen
nach Moral, Gerechtigkeit und Pflichtgefühl in ein Licht rückt, das
emporhebt oder schmerzlich brennt – je nach Perspektive.
F★ZIT: Beklemmend. Einfühlsam. Bitter.