Katherine Pancol: Der
langsame Walzer der Schildkröten
Wie ein frisches Baguette, das außen knusperig und innen pflaumenweich ist, kann sich der Leser - vorzugsweise wohl die Leserin - diesen Roman auf der Zunge zergehen lassen. Zumindest transportiert er eine gehörige Portion (französisches) Lebensgefühl - in all dessen Länge und Breite. Bei mir hat dieses Stück anspruchsvoller Literatur, das dennoch kurzweilig zu unterhalten weiß, auf jeden Fall einen positiven Eindruck hinterlassen können.
~ Rezension ~
Zwischen
Melancholie und Hochgefühl
Als
erfolgreiche Schriftstellerin hat es Joséphine Cortès geschafft,
sich einen Namen zu machen. Dennoch bleibt sie die bodenständige
Frau und Mutter zweier heranwachsender Töchter, die sie stets war.
Ihr persönliches Glück stellt sie immerfort hinten an.
Doch
nachdem einige familiäre Schicksale und ein vereitelter Mordanschlag
ihr Leben erschüttert haben, fasst sie den Entschluss, sich der
Liebe zum Leben und zu einem Mann wieder offen zu zeigen. Allerdings
bleibt diese Entscheidung nicht ohne Folgen und wird ungeahnt zu
einem Spiel mit dem Feuer.
Der langsame Walzer der Schildkröten
greift die Vielseitigkeit des Lebens auf unterhaltende Weise auf.
Dabei liegt die größte Stärke in der punktgenauen Wiedergabe von
Emotionen aller Art. Es werden Hingabe und Zielstrebigkeit genauso
ehrlich herausgestellt wie Boshaftigkeit und tödliche Besessenheit.
Jugendliche Naivität findet gleichermaßen Raum zur Entfaltung wie
verbitterter Starrsinn. Beständigkeit steht der immerwährenden
Wandelbarkeit gegenüber.
Die
Figuren, welche die Autorin in die perspektivenreiche Handlung
einbettet, stechen größtenteils durch eine präzise gezeichnete
Extravaganz oder Undurchdringlichkeit heraus. Die Geschichten der
einzelnen Charaktere könnten allein für sich stehen, ergeben durch
ein Zusammenfügen allerdings erst das abgerundete Ganze.
Stilistisch
betrachtet wechseln sich dramatische Komponenten mit humoristischen
und philosophisch angehauchten Einblicken in das menschliche Sein ab.
Aufflackernde Leidenschaft lässt sich ebenso entdecken wie
egozentrische Züge und kriminelle Energien.
Ich
mochte besonders die Moral, die diesem Werk zugrunde liegt: Im
Verborgenen liegt das Unergründliche, das für den einen bestimmt
ist zu erfahren, für den anderen nicht.
Katherine
Pancol fing mit diesem Roman eine tiefschichtige Familiengeschichte
ein, die nicht nur entzückt oder entsetzt, sondern darüber hinaus
ein für den Leser beinahe greifbares Lebensgefühl vermittelt. Dies
macht das Buch, welches seine potentiellen inhaltlichen Längen gut
zu kaschieren weiß, über die Handlung heraus sehr lesenswert.
F★ZIT: Charismatisch.
Bedeutungsvoll. Filigran.