"Wer bereits als Kind die Welt zwischen den Zeilen für sich entdeckt, geht auch später gern als Abenteurer durchs Leben." {Creativity First}
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Dienstag, 13. September 2016

[Rezension] Zwei Namen im Schnee (Rolf Kühne)

Rolf Kühne: Zwei Namen im Schnee 

Dass ein klein wenig Poesie andere Blickwinkel erlaubt und neue Türen öffnet, dessen sollten wir uns (viel öfter) bewusst sein. Denn gelegentlich bedarf es nicht der ganz großen Worte und ausschweifenden Ausführungen, um ganzheitlich anzusprechen...

Vielen Dank, Rolf Kühne, für das mir zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar!

Cover: Persimplex


~ Rezension ~

Lyrik zwischen dem Gestern und dem Morgen

Das Leben mit all seinen Facetten, seinem Feinschliff und seinen "Fehlern" ist ein Potpourri an Momenten und Erinnerungen, die uns prägen. Dabei verschränken Dankbarkeit und Wertschätzung ihre Finger mit Beklommenheit und Ernüchterung. Ein reizvolles Allerlei, das es sich allemal lohnt in einen Rahmen aus Poesie zu fassen. Gesagt, getan!

Bei Zwei Namen im Schnee handelt es sich um das Debüt von Rolf Kühne, in dem Freunde einer gleichermaßen erfrischenden wie zugänglichen Alltagslyrik sich mit hoher Wahrscheinlichkeit sehr gut wiederfinden werden.

In seiner Gedichtsammlung reiht der Autor mit Bedacht und dennoch augenscheinlich mühelos bildreiche Momentaufnahmen, Beobachtungen und Empfindungen aneinander. Die Balance aus Tiefgang und Leichtfüßigkeit sticht hierbei hervor. Denn obgleich nicht an jedem Leser selbst ein Poet verlorengegangen sein mag, so entsteht beim Eintauchen in die Gedichte eine gewisse Vertrautheit, die hie und da bestimmt Parallelen zu eigenen Erfahrungen und Aha-Erlebnissen kreiert.

Für mich strahlt dieses Buch trotz seines speziellen Genres eine "Alltagstauglichkeit" aus, die sympathisch ist. Das Ping-Pong-Spiel zwischen eindeutiger Bildsprache und der zwischen den Zeilen gelegenen Bedeutung sorgt für willkommene Gedankenanstöße. Diese werden losgelöst von festen Metren oder Reimformen gegeben. Auf diese Weise spiegelt sich die prägnante Freiheitsliebe des Autors auch hier wider.

Summa summarum sollten Leser, deren Herz für kurzweilige Gegenwartslyrik schlägt, diesem Erstlingswerk ihre Beachtung schenken.

FZIT: Mannigfach. Teilnahmsvoll. Modern. 


Dienstag, 7. Juni 2016

[Rezension] Pop Girl (Tallia Storm)

Tallia Storm: Pop Girl 

Tallia Storm ist Soulsängerin, Bloggerin der Huffington Post Teen und Gesicht verschiedener TEDxTeen-Veranstaltungen. 2012 veränderte eine folgenreiche Begegnung am Frühstücksbuffet im Familienurlaub für Tallia alles. 

Ebenjene beinahe irreale Begebenheit verwandelte der Teenager in einen aufgeweckten Jugendroman mit autobiographischer Nuance. Als Fan dieses Genres konnte ich einfach nicht widerstehen und MUSSTE diese glitzernde Lektüre ins Rampenlicht meines Bücherregals holen. 


~ Rezension ~

Das Leben ist ein Wirbelsturm 

Da ist die Erfüllung ihres allergrößten Traumes zum Greifen nah und dann zerplatzt diese einmalige Chance doch wie eine Seifenblase: Die dreizehnjährige Storm Hall ist am Boden zerstört, als sie, anstatt einen Solopart des Schulchors bei einer nationalen Radioausstrahlung singen zu dürfen, mit ihrer Familie in den (eigentlich lang ersehnten) Urlaub nach Hawaii fliegen muss. Wie kann das Leben nur ein dermaßen ungerechtes Timing haben? Aber Storm ist fest entschlossen, das halbwegs Beste aus ihrer persönlichen Katastrophe zu machen. Schließlich verschlägt es sie nicht jeden Tag dorthin, wo Sonne, Meer und Bongobeats die Ferien versüßen...

Mit ihrem temperamentvollen Debütroman, Pop Girl, hat die aus Schottland stammende Singer/Songwriterin Tallia Storm ein mit ganz besonderer Note versehenes Jugendbuch geschrieben.

Das Fabelhafte an dieser locker-flockigen fiktiven Geschichte ist ihre absolut greifbare Authentizität. Diese rührt, so unglaublich es klingen mag, aus Tallia Storms eigenem Leben. Denn sie selbst wurde durch einen irren Zufall mit gerade einmal 13 Jahren von Elton John angesprochen, ob sie nicht in seinem Konzertvorprogramm singen möchte? Seitdem hat sich für das talentierte Stimmwunder vieles verändert.

Mit dieser eigenen Erfahrung im Gepäck schickt Tallia Storm ihre Protagonistin Storm Hall auf eine aufregende Reise von Glasgow nach Hawaii, die voller Witz, Dynamik und vor allem Musikalität steckt. Die hochdosierte Achterbahnfahrt der Gefühle, die Storm im Laufe des Urlaubs erlebt, sprudelt nur so vor Enthusiasmus. Es gelingt der Autorin spielerisch, die Liebe zur Musik in ein schwungvolles und vor allem passioniertes Porträt zu fassen.

Die Charaktere — allen voran die sechsköpfige Familie Hall — verleiht der Handlung eine erfrischende und aus dem Leben gegriffenen Plastizität. Was mich, neben den sympathischen, aber keineswegs unchaotischen Figuren nachdrücklich angesprochen hat, ist die ungezwungene Leichtigkeit und die lebhafte Bildhaftigkeit Tallia Storms, die Geschichte zu transportieren. Ich hatte während des Lesens das angenehmen Gefühl, als würde Tallia/Storm die Geschichte erzählen im Sinne von "in einem tatsächlichen Gespräch schildern". Von peinlichen Anekdoten bis hin zur vibrierender Euphorie ist alles inklusive. Als englischsprachige Lektüre auch für deutsche Leser der Zielgruppe mehr als geeignet.

"Seid jederzeit und ohne Wenn und Aber bereit, euren Traum zu leben!", lautet wohl die hübsch unterhaltend verpackte Botschaft dieses (außen und innen) glitzernden Jugendbuchs. Unverhofft kommt oft. Aber noch viel wichtiger ist es, seinen eigenen Weg voller Überzeugung und Passion zu gehen. Halleluja!

FZIT: Quirlig. Glanzvoll. Hitverdächtig. 


Dienstag, 8. März 2016

[Rezension] Mein bester letzter Sommer (Anne Freytag)

Anne Freytag: Mein bester letzter Sommer 

Ohne den geringsten Zweifel hat dieses Buch, lange vor seiner Veröffentlichung, zu den Romanen gehört, die ich lesen MUSSTE. Weshalb? Weil ich in ganzer Größe bekennender Anne-Feytag-Fan bin. Sie ist eine der Schriftstellerinnen, deren Wortzaubereien mich immer wieder aufs Neue zum Staunen bringen. Außerdem liebe ich diese Art von Geschichten, in denen  Glückseligkeit und Tragik unmittelbar miteinander verflochten sind. Mein bester letzter Sommer klingt also wie für mich gemacht, oder?

Liebe Anne, liebes Heyne fliegt Team, danke schön dafür, dass ich vor dem offiziellen Startschuss bereits mit #teskar einen besten letzten Sommer (mitten im Februar) auskosten durfte. Mein Herz sprang vor Freude, schlug höher, brach.

P.S.: Das Cover ist ein echter Hit. Eine Klass für sich!

Cover: Heyne fliegt


~ Rezension ~

Herzschlagmomente im Hier und Jetzt und für die Ewigkeit

Die siebzehnjährige Tessa weiß eines mit Sicherheit: Ihre Zeit ist begrenzt. Sehr begrenzt. Die Ärzte haben alles getan, was sie konnten. Tessa hat sich schweren Herzens Ha! Wie makaber. Wie kann ihr Herz trotz seines unheilbaren Lochs schwerer sein als das vieler anderer Menschen?— damit abgefunden. Damit, dass sie nie studieren, sich nie verlieben oder nie die Welt bereisen wird. Aber dann stolpert rein zufällig Oskar in ihr Leben und stellt dieses noch einmal gehörig auf den Kopf. Na klar, das Timing könnte weiß Gott besser sein und Tessa hat immense Angst davor, dass ihre Krankheit nun auch noch Oskars Herz brechen wird. Doch er kann sie davon überzeugen, noch eine (gemeinsame) beste letzte Zeit erleben zu wollen...

Mein bester letzter Sommer von Anne Freytag ist eine Premiere. Denn es ist das erste Jugendbuch der fulminant mit Worten und Emotionen jonglierenden Autorin. Obgleich die Grundidee hinter der Geschichte keinesfalls neu ist, ist es das feinfühlig und auf gewisse Weise unerschrocken geschnürte Gesamtpaket, das Herzen wie Gelato zum Schmelzen bringt.

Es ist zweifellos gewagt, ein Buch zu schreiben, dessen Ende dem Leser bereits mit dem Blick auf den Titel seinen (höchstwahrscheinlichen) Ausgang verrät. Doch in Anne Freytags Fall ist die Reise hin zum letzen Kapitel das Ziel. Die schüchterne Tessa und der verständnisvolle Oskar werden für einen (letzten) Sommer zum zu allem entschlossenen Team Teskar. In einem gelben Volvo brechen sie Richtung Italien auf. Ihr Weg ist geprägt von kleinen Träumen, an allen Nervenenden kitzelnder Neugier und wie Säure brennenden Ängsten. 

Jede Etappe dieses Roadtrips birgt sowohl diese gewisse Ungewissheit als auch eine ungewisse Gewissheit in sich. Denn jeder Tag, nein, jeder Herzschlag könnte der letzte sein. Es gelingt Anne Freytag auf unnachahmliche Art, ebenjenes packende Gefühl in die einzelnen Kapitel zu legen. Der Spannungsbogen, auf dem die beiden Protagonisten balancieren, kommt wie ein bunter und dennoch vergänglicher Regenbogen, der einen endgültigen Abgrund für einige Zeit vergessen macht, daher.

Die einzelne Charaktere werden mit Nachdruck gezeichnet. Und so ungewöhnlich ihre Geschichte sein mag, sie sind nicht nur das Mädchen und der Junge, die auf unfaire Art viel zu schnell oder eben gar nicht erwachsen werden müssen bzw. dürfen. Tessa und Oskar sind nebenbei auch einfach nur echt — Ecken und Kanten inklusive. 
Was mich allerdings noch ein Stückchen mehr beeindruckt, ist die fulminante Gesamtatmosphäre, welche von der Autorin geschaffen wird. Das Gefühl der Beklemmung, jeder wundervolle Augenblick von und mit Tessa und Oskar könnte tatsächlich der letzte sein, schwingt auf ergreifende Weise stets mit. Der Gedanke Liebes Leben, schenke Teskar bitte noch einen weiteren Tag zusammen kommt unwillkürlich auf und bleibt hängen — trotz des Buchtitels. Denn manchmal geschehen vielleicht doch Wunder und aus einem Sommer könnte noch ein Herbst werden...

Dieser Jugendroman ist eine Hommage an das Leben. Nicht an irgendein Leben, sondern an unseres. Er ist ein weises und wortgewandtes Plädoyer, das Anne Freytag an ihre Leser heranträgt, jeden einzelnen Tag zu einem liebens- und lebenswerten zu machen. Denn dann können wir immer sagen: Ja, liebes Leben, du warst freudevoll. Es war mir ein Vergnügen.

FZIT: Ergreifend. Erfüllt. Endgültig.


Dienstag, 12. Januar 2016

[Rezension] Ein anderes Paradies (Chelsey Philpot)

Chelsey Philpot: Ein anderes Paradies 

Unbeschwert, schillernd, entschlossen. Welcher Teenager möchte wohl nicht so sein? In ihrem Debüt zeichnet die Amerikanerin Chelsey Philpot den offenkundig zweischneidigen Weg eines Mädchens nach, das genau solch eine Aura ausstrahlt. Doch wie lange leuchtet dieser Stern noch, wenn jenes eine alles überschattende Geheimnis an die Oberfläche dringt?

Danke dem Carlsen Verlag für das mir freundlich zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar.

Cover: Carlsen Verlag


~ Rezension ~

Von der Transparenz des Glücks

Als Charlotte in ihrem Internat eher zufällig in den elitären Dunstkreis der glamourösen Familie Buchanan gerät, ändert sich ihr Leben schlagartig. Julia Buchanan wird zu Charottes bester Freundin, deren Bruder Sebastian zu ihrer großen Liebe. Plötzlich eröffnet sich dem Teenager eine Welt voller ausschweifender Partys, Rebellion und offensichtlicher Dekadenz. Ein Leben, das fernab von Charlottes eigener Realität liegt. Aber das neue (scheinbare) Glück perlt wie Champagner und ist unwiderstehlich. Bis Charlotte eines Tages einen Blick hinter die Fassade des riesigen Anwesens und der strahlenden Gesichter erhaschen kann. Die Vergangenheit können selbst die Buchanans nicht ungeschehen machen ...

Ein anderes Paradies von Chelsey Philpot ist ein Jugendbuch, in dem der von den Schönen und Reichen ausgehende Sog in den Mittelpunkt rückt. Ein Erstlingswerk, in dem Grenzen verschwimmen, aber nicht ausradiert werden.

Charlotte Ryder und Julia Buchanan trennen eigentlich Welten. Während Charlotte bescheiden, engagiert und zielorientiert ist, zieht Julia durch ihre selbstbewusste und zugleich geheimnisvoll distanzierte Art die Blicke auf sich. Chelsey Philpot kreiert ein Protagonistenduo, das für Gesprächsstoff sorgt. Die Dominanz Julias ist in der Freundschaft der beiden Teenager federführend. Charlottes Intention ist hingegen in erster Linie davon geprägt, unbedingt dazugehören zu wollen. Dass die Buchanans Charlotte sowohl mit ihrem Charme als auch mit ihrer bis dato fein kaschierten Familienhistorie überrollen, wird rasch deutlich und zu einem der Eckpfeiler der Handlung.

Der Autorin gelingt es auf eingängige Weise, ein wankendes und mit schmückenden Klischees versehenes Kraftfeld zu schaffen. Zum einen werden entlang des Weges Vertrauen und Liebe gefunden. Zum anderen wird Loyalität ausgereizt und Verantwortungsgefühl oktroyiert. Die einen wachsen ins Leben hinein, die anderen schlichtweg in eine Rolle. Der Grat dazwischen ist manchmal ziemlich schmal. Eine, wie ich finde, sehr gut herausgestellte Entwicklung, der wir uns früher oder später alle zu stellen haben.

Kleine markante Eigenheiten geben der Geschichte ihren ganz eigenen Wert. Hierzu zählen beispielsweise die Vorliebe der Familie Buchanan für die französische Sprache oder immer wieder zwischen den einzelnen Kapiteln eingeschobene Passagen, welche dem Handlungsverlauf zusätzlichen Hintergrund verleihen. Dennoch muss ich gestehen, dass ich bis zum Grande Finale nicht den endgültigen Zugang zum Roman gefunden habe. Die konsequent tiefgründig betonte Oberflächlichkeit mag daran nicht völlig unschuldig gewesen sein.

Insgesamt ein Jugendroman, welcher dem Sprichwort "Jeder ist seines Glückes Schmied" ein zeitgemäßes Gewand gibt, das insbesondere bei jungen Lesern in Mode sein dürfte.

FZIT: Aufbegehrend. Zwiegespalten. Triftig. 


Freitag, 4. September 2015

[Rezension] Eigentlich sind wir nicht so (Luisa Binder)

Luisa Binder: Eigentlich sind wir nicht so. Ein kauziger Familienroman 

In ihrem Erstlingswerk nimmt Autorin Luisa Binder geschickt die Problematiken einer Generation, die im Hier und Jetzt zwischen Karrierehoch und Kreditunwürdigkeit pendelt, unter die Lupe. Beinahe schon ein Klassiker der Gegenwart, oder? Doch hier heißt es: Nicht verzagen ... Früher oder später wird jeder Kauz einmal flügge.

Ein Dankeschön an den Knaur Verlag für diesen locker-leichten Roman, der als Überraschungspost den Weg zu mir gefunden hat!

Cover: Droemer Knaur


~ Rezension ~

Die Schule des Lebens versus ein Studium der Kunstgeschichte

Über Marie ist die Katastrophe hereingebrochen: Sie hängt nach abgeschlossenem Studium, Kunstgeschichte und Kulturanthropologie, jobtechnisch in einem totalem Vakuum der Ahnungslosigkeit fest. Dann wurde sie auch noch von ihrem Freund verlassen und mit Nachdruck von ihren Mitbewohnern vor die WG-Tür gesetzt. Mit Ende zwanzig kehrt Marie also in ihr Elternhaus zurück. Aber anstelle eines herzlichen Willkommens und eines trauten Heims findet sie ein Irrenhaus vor: Zwei Freundinnen ihrer Eltern stecken mitten in einer Lebenskrise und quartieren sich kurzerhand ebenfalls bei den Schröders ein. Zwischen Mauerblümchen und Lebefrau, notorisch nörgelndem Vater und vermittelnder Mutter schlagen die Wogen schnell hoch. Und dann wäre da noch das überraschende Wiedersehen mit Daniel, dem einstigen Star aus Maries Jahrgangsstufe und Schwarm aller Mädchen. Ein gefundenes und wieder einmal fehl zu interpretierendes Fressen für die schräge Kombo, mit der Marie sich gezwungenermaßen Käsekuchen und Kleiderschrank teilen muss.

Eigentlich sind wir nicht so ist Luisa Binders Debütroman, mit dem die studierte Geisteswissenschaftlerin den gekonnten Spagat zwischen "Geschichten, die das Leben schreibt" und akzentuierter Verschrobenheit demonstriert.

Marie als Endzwanzigerin, die mit akademischem Abschluss, aber ohne aussichtsreiche Perspektive wieder bei ihren Eltern Unterschlupf findet, nimmt eine klare Stellvertreterrolle ein. Luisa Binder verleiht ihr das nicht untypische Profil einer Generation, die sich der Crux aus Überqualifikation hier und zu wenig Berufserfahrung dort stellen muss. Marie hat das Gefühl, ihre Jahre an der Uni verschwendet zu haben. Zwischen Resignation und Trotz schwankend, begibt sie sich auf der Suche nach Alternativen und stößt dabei auf ungeahnte Talente. Damit wird Luisa Binders Romanfigur zum Gesicht einer Generation, die — ganz real  nur zu häufig vor ähnlichen Hürden steht. Nicht zuletzt untermauern die eigenen Beobachtungen und Erfahrungen der Autorin ihre Geschichte mit einem authentischen Fundament.

Als überaus gelungen stellt sich für mich die Mischung aus pfiffigem Realitätssinn und herrlich kauziger Überzeichnung dar. Dies wird besonders in der Porträtierung der einzelnen Charaktere deutlich, die mit Wonne klare Klischeehaftigkeiten ausfüllen. Dadurch entsteht eine Nähe zwischen Figurenensemble und Leser, die sich festigt. (Galgen-) Humor und eigenwilliger Aktionismus sorgen im Fortgang des Romans für beständiges Amüsement.

Der Roman kommt sowohl inhaltlich als auch stilistisch ohne die überdurchschnittlich beeindruckenden Ausrufezeichen, die immerwährend in Erinnerung bleiben, aus. Dafür sorgt ein mit Verve und Schmissigkeit ausgestatteter Handlungsbogen für köstliche Unterhaltung. Als großes Plus, so finde ich, darf auf jeden Fall das Identifikationspotenzial, welches geboten wird, gelten.

In der Summer wartet Luisa Binder mit einem neckischen Familienroman auf, der seinem kauzigen Titel(bild) in vielerlei Hinsicht gerecht wird. 

FZIT: Lebensecht. Schräg. Wachsend.


Freitag, 21. August 2015

[Rezension] Stolperherz (Britta Sabbag)

Britta Sabbag: Stolperherz 

Als moralische Unterstützung mit einer echt angesagten Band einmal auf Tournee gehen ... und zwar im Tourbus. 

Was für die meisten von uns mit höchster Wahrscheinlichkeit vermutlich nie eintreffen wird, durfte Autorin Britta Sabbag vor Jahren selbst erleben. Ein zweifellos prägendes Erlebnis, das sie nun als Inspiration für ihren ersten Jugendroman genutzt hat. Genial, wie ich finde.


~ Rezension ~

Wenn ein Herz Luftsprünge macht ...

Gerade als Sannys Leben ohnehin schon auf den Kopf gestellt wird, passiert etwas noch viel Unglaublicheres. Der sich sonst als unscheinbar fühlende Teenager wird von Greg, dem coolsten Bassisten aller Zeiten, eingeladen, ihn und seine Band Crystal auf Tour zu begleiten. Wow. Der Sommer ihres Lebens rückt in greifbare Nähe. Wäre da nicht Sunnys Mutter Lisa, die ihre Tochter unbedingt zur Kur an die See schicken will. Denn Sanny leidet seit Jahren unter akuten Herzproblemen und eine OP steht kurz bevor. Aber davon möchte Sanny jetzt nichts mehr wissen. Daher fasst sie einen Entschluss: Tour statt Kur. Dazu klügelt sie einen Plan aus, der auf mehr als wackligen Beinen steht.

Mit Stolperherz ist Autorin Britta Sabbag ein aufgewecktes Debüt im Genre Jugendliteratur gelungen, das sich nicht nur sehen lassen kann, sondern gar den Wunsch einer Zugabe aufkommen lässt.

Sanny ist der Auffassung, das wohl unmutigste Mädchen der Welt zu sein. Viel zu behütet fühlt sie sich zuhause. Gar unsichtbar scheint sie in der Schule zu sein. Damit erfüllt die fünfzehnjährige Sanny die besten Voraussetzungen, zu einer Protagonistin zu werden, die im Verlaufe der Geschichte lernt, über sich hinauszuwachsen. Und genau dies geschieht. Britta Sabbag schenkt ihrer sympathischen Hauptfigur Flügel. Erwartungsgemäß läuft nicht alles glatt und Sanny wünscht sich nicht selten, im Erdboden zu versinken. Aber gerade dies verleiht ihrem Charakter große Lebensechtheit. Aus der Reihe der Nebenfiguren sticht für mich ganz klar Flocke, der chronisch nervende, aber dennoch liebenswerte Kumpel an Sannys Seite hervor. Er verkörpert einen super Nicht-mit-ihm-aber-auch-nicht-ohne-ihn-Wegbegleiter.

Mir gefällt nachdrücklich besonders gut, auf welche Weise es der Autorin gelingt, die Welt mit den Augen von Teenagern zu sehen. Eigensinnigkeit, die Sehnsucht nach Freiheit, Herzklopfen  all diese Komponenten vereint dieses Buch in einer angenehmen Dosierung. Dabei sorgen ein wenig Übermut und die Liebe zur Musik für eine schwungvolle Dynamik. Die auf den Punkt gebrachte und toll verpackte Botschaft Britta Sabbags lautet: Trau dich auf Reisen zu gehen und zu dir selbst zu finden!

Drollig, leichtfüßig und abenteuerlustig wird die Handlung Kapitel für Kapitel — also, von Gig zu Gig  vorangetrieben. Während des Lesens kommt somit das Empfinden auf, tatsächlich selbst die Tournee von Crystal zu begleiten. Für jeden Konzertfan des wahren Lebens ein sicherlich großes Plus, das Begeisterung weckt und mehr als ein Roadie-Gefühl beschert.

Alles in allem lädt dieses Jugendbuch zu einem Roadtrip ein, der mehr ist, als er anfangs scheint. Aus einem Sommer voller Musik wird ein Sommer, in dem Herzen heilen ... oder auch komplett brechen können.  


FZIT: Echt. Spontan. Mutig.


Dienstag, 18. August 2015

[Rezension] Driving Phil Clune (Susanne Fuß)

Susanne Fuß: Driving Phil Clune 

Hollywood gilt als Traumfabrik, in der Glanz und Kuriosität sich nicht selten eine Garderobe teilen. Dieses Wissen packt Susanne Fuß in ihrem ersten Roman beim Schopfe und toupiert es zu einer extravaganten Turmfrisur auf dem Kopf eines Möchtegerns ...

Herzlichen Dank der Autorin für die Einladung, mir mit Herbert, Harry und Phil Clune für knapp 200 Seiten ein Taxi teilen zu dürfen!


~ Rezension ~

Ein Hauch von Hollywood auf vier Rädern

Als Taxifahrer in Berlin träumt Herbert, der ansonsten eher ein überschaubar spannendes Leben führt, davon, ein einziges Mal einen echten Weltstar aus der Filmbranche durch die Metropole zu chauffieren. Dieses Anliegen scheint fern. Stattdessen gesellt sich eines Tages sein gewiefter Bruder Harry zu ihm ins Taxi. Was als Schock für Herbert beginnt, schließlich steht der unter einer Persönlichkeitsstörung leidende Harry eigentlich unter ärztlicher Aufsicht in Hamburg, entpuppt sich als das wohl groteskeste Abenteuer seines Lebens. Denn urplötzlich wird aus Harry der Hollywoodstar Phil Clune und jeder glaubt es. Dass die ganze Vorstellung früher oder später auffliegen muss, steht für Herbert fest. Aber irgendwie kann er den Hebel der Notbremse nicht mehr finden ... 

Autorin Susanne Fuß veröffentlicht mit Driving Phil Clune einen Debütroman, der vor Aberwitzigkeit nur so strotzt. Irrsinn und Scharfsinn liegen gelegentlich sehr eng beieinander.

Die Hauptrollen dieser rasanten Verwechslungsgeschichte hätten kaum von zwei gegensätzlicheren Charakteren besetzt werden können. Auf dem Fahrersitz der unscheinbare Herbert, der sich Tagträumen hingibt. Auf der Rückbank der unerschrockene Harry mit überdimensionalem Darstellungsvermögen. Hier prallen Welten aufeinander. Dass Herbert, allen Bedenken zum Trotz, dennoch in der Bugwelle des Chefprätendenten Harry mitschwimmt, ist hierbei wesentlicher Baustein eines herrlich kuriosen Konstrukts einer Möchtegernepisode.

Susanne Fuß setzt in ihrem Roman auf drollige Klischees, menschliche Schwächen und Temopreichtum. Hinzu kommt ein breit gefächerter Strauß an skurrilen Schlupflöchern und Zufällen. Die sich zuspitzende Absurdität ist Eckpfeiler eines Spannungsbogens, der vor allem durch deutlich überzeichnete Ereignisse charakterisiert wird. Aber meiner Meinung nach verleihen ebenjene Unmöglichkeiten dem Roman diesen quietschfidelen und äußerst unterhaltsamen Tenor des Überdrehten.

Wir Menschen glauben das, was wir glauben möchten. Dies führt die Autorin dem Leser auf amüsante Weise vor Augen. Souveränes Auftreten gepaart mit beherzter Dreistigkeit können durchaus überzeugend sein  im Buch, im Film oder auch tatsächlich im wahren Leben. Susanne Fuß gelingt es, die Grenze zwischen Glaub- und Unglaubwürdigkeit geschickt auszureizen und sich eine Überschreitung dieser für ihr Buch zu Eigen zu machen. Der Realitätssinn wird eben kurzerhand hin und wieder in den Kofferraum verfrachtet.

Eine Lektüre, die voller kurzweiliger und vor allem ulkigster Irrungen und Wirrungen steckt, deren Mittelpunkt ein Füllhorn an Übertreibung und Findigkeit bildet.

FZIT: Augenzwinkernd. Bizarr. Aufgeweckt.


Dienstag, 4. August 2015

[Rezension] Ein Sommer und vier Tage (Adriana Popescu)

Adriana Popescu: Ein Sommer und vier Tage 

Ganz zu Beginn muss ich anmerken, dass es sich bei diesem Roman um DAS BUCH handelt, dem ich in diesem Sommer am meisten entgegengefiebert habe. Es kommt wirklich nicht oft vor, dass ich hypereuphorisch Vorbestellungen ins Bücheruniversum verschicke. Doch Ausnahmen gibt es bekanntlich immer wieder.

Und? Was soll ich nun zu dieser Geschichte, in der Hermine Granger und Zac Efron gemeinsam und entschlossen wie zwei Gladiatoren ihrem ganz persönlichen Sommerglück Richtung Rom auf der Spur sind, sagen?

Es gibt wohl nur schwerlich eine enthusiastischere, warmherzigere Einladung, (endlich einmal wieder) selbst zu einer Lieblingsreise auszubrechen als dieses Sommerbuch.  

PERFETTO. Mille grazie, Adriana!!! 

🍦 🎧 +❤️ + 📷 + 🍕 + 💦 = per sempre.


~ Rezension ~

Einen Salto hinein ins Leben. Weil es dir gehört!

Als Lewis (mit W) in Paulas Leben tritt, stehen die beiden gerade am Bus, der sie nach Amalfi ins Sommercamp bringen soll. Für Paula die Gelegenheit, sich noch gewissenhafter aufs Abi vorzubereiten. Für Lewis der eher wenig verlockende letzte Strohhalm, seinen schulischen Leistungen Auftrieb zu verleihen. Auch wenn Amalfi einen Sommer in Italien verspricht, so jedoch keinen, der nach Abenteuer, Zitroneneis und Dolce Vita schmeckt. Was würde die stets planvolle Paula nun wohl tun, wenn sie sehr unvorbereitet die Chance bekäme, ihr strebsames Ich an einer norditalienischen Raststätte zurückzulassen und stattdessen mit dem umwerfend süßen und schlagfertigen Lewis durchzubrennen? Was hätte sie zu verlieren? Vermutlich ihr Herz. Doch darauf muss sie es jetzt einfach ankommen lassen.

Mit Ein Sommer und vier Tage beschreitet Adriana Popescu erstmals die Bühne der Jugendliteratur. Und dies tut sie, das lässt sich bei aller Bescheidenheit sagen, mit einer nachdrücklichen Imposanz, die zu Herzen geht.

Paula und Lewis ergänzen sich prächtig — nicht nur, weil der eine das W hat, das dem anderen "fehlt". Während Paula als liebes, unscheinbares Mädchen von nebenan mit großen Träumen im Gepäck daherkommt, geht Lewis gänzlich in der Rolle des charmanten Musikkenners und Abenteurers auf. Die zwei Teenager finden sich, ohne wirklich nacheinander gesucht zu haben. Aber gerade das macht ihre Verbundenheit derartig besonders: Sie ist zutiefst aufrichtig. Einfach, weil sie ohne Make-up und saloppe Machosprüche auskommt, um cool, mutig und originell zu sein.

Adriana Popescus Vorliebe für Geschichten, die dem Leben ein wenig mehr Herzklopfen, Feenstaub und Verrücktheit verleihen, kommt in diesem Jugendroman perfekt zur Geltung. Gemeinsam mit ihren zwei Protagonisten schickt sie die Leser auf einen Roadtrip Richtung Verona, Florenz und Rom, der die Welt um einen herum vergessen macht. Denn wer sich einmal zu Paula und Lewis gesellt hat, wird schnell merken, dass ihre Reise das sehr gewisse, unvergessliche Etwas hat. Die beiden werden zu Symbolfiguren, die — nicht nur Lesern im Teenageralter — vor Augen führen, was es bedeutet, sich ins Leben fallen zu lassen.

Als bekennender Fan des Popescu'schen Stils darf ich feststellen, dass die Autorin wieder einmal zur Höchstform aufgelaufen ist. Jugendliche Unbekümmertheit mischt sich mit poetischer Ernsthaftigkeit, wachsender Lebensweisheit und flirrender Verliebtheit. Der hohe Grad an liebevoll und lebhaft gezeichneter Detailschärfe geht Hand in Hand mit turbulenter Lebensfreude. Allein deshalb schmilzt die zu lesende Seitenzahl wie Gelato in der Sonne des Südens. Es liest sich allerliebst, wie den Wünschen und Träumen der Teenagerzeit mit großer Sympathie, einem Glitzern in den Augen und einem verschmitzten Lächeln Flügel verliehen werden.

An diesem Buch verzaubert (mich) das hübsch geschnürte Gesamtpaket: Mutige Momente, quietschvergnügte Stereotype, aufgeregt flatternde Schmetterlinge im Bauch, ungelüftete Geheimnisse, Bilderbuchkulisse. Jene Komponenten sind denkbar klassisch. Aber auf die genau richtige Zusammensetzung kommt es an — und diesbezüglich hat Adriana Popescu ihre und meine Lieblingsrezeptur gefunden. Damit tut sie es dem besten Gelatiere gleich. 

Ein Sommerbuch wie echte italienische Tortellini aus Bologna: ein kleines Kunstwerk. Ein Roman, der für ein bleibendes Lächeln sorgt. Ebenso wie die Erinnerung an die erste große Liebe.

Um es auf den Punkt zu bringen: Adriana Popescus Jugendbuchdebüt ist süß und kribbelnd wie eine gekühlte Cola; temperatmentvoll wie das Mittelmeer; hitverdächtig wie die Musik von One Direction. Jawohl. Daher am besten schnellstens selbst auf die Vespa schwingen und auf Reisen gehen!

FZIT: Lebenshungrig. Leuchtend. Liebenswert.


Donnerstag, 12. März 2015

[Rezension] Das persische Café (Marsha Mehran)

Marsha Mehran: Das persische Café 

Ein Buch, das einer Hommage an die exquisiten und heilsamen Köstlichkeiten der persischen Kochkunst gleichkommt. Eingebettet in die nicht minder einladende Kulisse Irlands treffen hier Welten aufeinander, deren Annäherung (geschweige denn Verschmelzung) ein gewisses Maß an Ausdauer bedarf. 

Wie wichtig es ist, sich einen weltgewandten Blick zu bewahren, betont Marsha Mehran in ihrem international erfolgreichen Debüt.


~ Rezension ~

Genuss, der wächst.

Die drei persischen Schwestern Marjan, Bahar und Layla ziehen in ein kleines irisches Dorf, in dem die gesellschaftliche Ordnung sich den Interessen des zu allem entschlossenen Geschäftsmanns Thomas McGuire zu unterwerfen hat. Dass die Schwestern ausgerechnet hier ein Café eröffnen und den Dorfbewohnern die kulinarischen Genüsse ihrer Heimat schmackhaft machen wollen, ist Thomas augenblicklich ein Dorn im Auge. Konsequent sät er Misstrauen gegenüber den Frauen. Allzu schnell lassen sich die Schwestern jedoch nicht einschüchtern. Bis sich eines Tages die Ereignisse überschlagen und ihre zurückgelassen gehoffte Vergangenheit bitter aufkocht.

In Das persische Café kombiniert Marsha Mehran mit beachtlicher Bildhaftigkeit die Liebe zur Kochkunst mit der tragischen Historie iranischer Regimeflüchtlinge und der verträumten Kulisse Irlands.

Die drei Protagonistinnen vereinen Trauma und Hoffnung, Furcht und Entschlossenheit, Verletzlichkeit und Stärke. In ihrer Kindheit und Jugend wurden sie Opfer der Revolution. In Irland schöpfen sie neuen Mut, endlich frei sie selbst sein zu dürfen. Wenngleich die kulinarischen Raffinessen der persischen Küche und das Geschick der Schwestern, diese auf unwiderstehliche Art zuzubereiten, im Mittelpunkt des Romans stehen, so flicht Marsha Mehran auf gleichermaßen andeutungsvolle wie unmissverständliche Weise Reflexionen politischer Umbrüche und persönlicher Tyrannei ein. Eine besonders wertgebende Komponente, wie ich finde.

Auf den ersten Blick ist das eindeutige Sympathieverhältnis zu den Charakteren ausgemacht. Kulturelle und emotionale Kontraste treffen aufeinander wie Öl auf Wasser. Doch peu à peu wird die Moral zur wegweisenden Note. Obgleich die eine oder andere Wandlung in einem akuten Zeitraffer erfolgt, nehmen diese Entwicklungen der eigentlichen Botschaft nichts an Würze.

Apropos Würze, als absolutes Plus dieses Werks ist die enorme Kraft der bildhaften Erzählung in Kombination mit der Präsentation exotischer Gaumenfreude hervorzuheben. Marsha Mehran verleiht den Aromen ihrer Heimat Flügel und trägt sie in die Bücherregale (und Küchen) der Leser. Zu Beginn eines jeden Kapitels steht ein Rezept und die aromatische Wirkung eines Gerichts aus der persischen Küche, welches auf rundum passendem Wege Eingang in die Handlung findet. Eine offen ausgesprochene Einladung, über das Leseerlebnis hinaus, neue deliziöse Horizonte für sich zu entdecken.

Insgesamt ein Roman, der sowohl die Narben gesellschaftlich geduldeter Unterdrückung als auch die heilsame Kraft einer geteilten Passion fokussiert. Ein Mischungsverhältnis, welches die Harmonie von heiß und kalt, wie sie in der persischen Küche gepflegt wird, eingängig verkörpert.

FZIT: Appetitlich. Mehrschichtig. Eloquent. 


Donnerstag, 18. Dezember 2014

[Rezension] Die Achse meiner Welt (Dani Atkins)

Dani Atkins: Die Achse meiner Welt 

Da Dani Atkins' Debütroman auf meiner Lesewunschliste stand, kam es mir mehr als entgegen, dass mir das Buch nun in der Bibliothek über den Weg lief. Sehr gut. Immerhin wollte ich mir liebend gern selbst ein Bild von dem Werk machen, über das die (halbe) Buchbloggerwelt ausführlich zu berichten weiß.
Herausstellen möchte ich an dieser Stelle gerne, ohne den großen Gedanken hinter der Geschichte vorwegzunehmen, dass mich vor allem die Problematik, welche die Handlung sozusagen umklammert und die sich nach dem letzten Kapitel erschließt, hat schlucken lassen.


~ Rezension ~

Alles auf Anfang! Wenn es doch nur so einfach wäre.

Als Rachel achtzehn Jahre alt ist, glaubt sie, dass ihr und ihren Freunden die Welt offen steht. Voller Tatendrang und großer Träume treffen sich die sieben Teenager ein letztes Mal, bevor sie Studium und Reisefieber in alle Himmelsrichtungen verschlagen soll. Doch dann geschieht ein unfassbares Unglück, das Rachels Leben in eine neue, schmerzhafte Zeitrechnung katapultiert. Fünf Jahre später, zur Hochzeit ihrer besten Freundin, beschließt Rachel, sich der Vergangenheit zu stellen. Allerdings ahnt sie nicht, dass diese Zeitreise ihr die gleichermaßen einmalige wie absurde Möglichkeit gibt, eine längst verpasste Chance nicht länger ungenutzt zu lassen.

Die Achse meiner Welt aus der Feder von Dani Atkins fängt eine Welt ein, deren Fragilität genauso groß ist wie die Sehnsucht nach dem einen Moment, von dem man wünschte, ihn ungeschehen machen zu können.

Als großes, mehrdimensionales Plus dieses Romans muss die Idee gelten, die einen Rahmen zeichnet, der voller Verblüffung, Verwirrung und Verzweiflung steckt. Nicht wenige kennen den Wunsch, die Zeit zurückdrehen zu wollen, um eine Entscheidung, eine Reaktion oder einen Fehler ungeschehen zu machen. Ein hypothetisches Szenario, dem sich die Autorin auf interessante, ausgeklügelte Weise widmet. Ebenso wie sie den Preis dafür, dessen Höhe unberechenbar bleibt, beleuchtet und in einem Finale münden lässt, welches nicht ohne ist.

Der Leser kann Protagonistin Rachel auf einer (unergründlichen) Gratwanderung zwischen dem Hier und Jetzt und dem Was-wäre-wenn begleiten. Auf dieser Reise muss Rachel erkennen, dass sich die Dämonen der Vergangenheit auch in ihre Gegenwart schleichen und damit ihre Zukunft gefährden. Die heraufbeschworene Ratlosigkeit und empfundene Beklemmung der Hauptfigur ist förmlich greifbar und springt durchaus auf den Leser über. Als besonders gelungen habe ich es empfunden, dass ich während des Lesens stets darüber gegrübelt habe, was nun tatsächlich dem Sein und was eher dem Schein entspricht. Ein Aspekt, der dem gezogenen Spannungsbogen sehr zuträglich ist.

Die Profile der Figuren und deren Werdegänge entsprechen gängigen Rollenbildern, die nicht zwangsläufig überraschend sind. Dennoch ergänzen sie das zerbrochene und erst wieder zusammenzusetzende Mosaik passabel.

Zur kreierten Atmosphäre kann gesagt werden, dass diese vor allem durch das massive Fragezeichen, das wie ein Damoklesschwert über der einen Wirklichkeit schwebt, charakterisiert wird. Daher steht mehr als eine alleinige zwischenmenschliche Emotionalität im Mittelpunkt. Vielmehr geht es um die großmaßstäbigere Suche nach der besseren Hälfte (des Lebens).

Insgesamt ein Roman, der Herz und Verstand auf besondere Weise anspricht und fordert. Denn nicht alles von dem, was Dani Atkins zu erzählen hat, beruht auf Fiktion. Im Gegenteil. Das Fundament ihrer Geschichte ist realer, als einem lieb ist.

FZIT: Menschlich. Zurückspulend. Erlebend.


Dienstag, 2. Dezember 2014

[Rezension] Zwischen Winter und Himmel (Elin Bengtsson)

Elin Bengtsson: Zwischen Winter und Himmel 

Dass in der Schlichtheit manches Mal voller Gefühlsbetontheit steckt, diese Erkenntnis trifft, glaube ich, auf diesen Debütroman zu. Nicht nur gefällt mir das Cover ausgesprochen gut, sondern gleichfalls die subtil kundgetane Emotionalität der Geschichte, welche der unumstößlichen Auseinandersetzung mit Krankheit, Gram und Tod eine sehr passende Tonalität verleiht.

Ein Dank auf diesem Wege an den Oetinger Verlag für die Zusendung eines Rezensionsexemplars!

Cover: Oetinger Verlag


~ Rezension ~

Lebe! Bis zur letzten Sekunde.

Andreas und Martin sind zwei ungleiche Brüder. Doch Andreas' Krankheit verbindet die beiden. Wenngleich auf eine Weise, die nicht offensichtlich scheint. Während Andreas sich einigelt und die Tage unspektakulär verstreichen lässt, widmet sich Martin seiner Musik. Denn nur mit der Gitarre in der Hand kann er das ausdrücken, was er wirklich fühlt: Angst. Die Angst, dass Andreas seine nur noch begrenzte Lebenszeit ungenutzt lässt. Ein gemeinsamer Winter bleibt den zwei Teenagern noch. Ein paar Monate, um sich zu sagen, wie idiotisch sich beide aufführen. Und um sich zu sagen, dass ihre Bruderliebe unter der beklemmenden Stille der vergangenen Monate nicht erstickt ist. Aber manchmal schmilzt der Schnee schneller als einem lieb ist ... und der Frühling kommt.

Elin Bengtssons markantes Erstlingswerk Zwischen Winter und Himmel erzählt von der Hin- und Hergerissenheit zweier Brüder, die sich noch vieles zu sagen hätten, bevor einer von ihren für immer verstummt.

Bemerkenswert an diesem Buch ist, mit welch Mischung aus Vehemenz und Fingerspitzengefühl sich Elin Bengtsson des Themas "Sterben im Teenageralter" annimmt. Sie schafft eine Spähre, in der Welten aufeinanderprallen. Emotionen schlagen hoch, ohne wirklich auszubrechen. Der innere Kampf der Protagonisten verkörpert die breite Amplitude zwischen Hadern, Aufbäumen und Resignation auf sehr eigene Art.

Es geht um Annäherung und Sprachlosigkeit, genauso wie um Wut, Schockstarre und Akzeptanz. Martin, dessen Musik sein Sprachrohr ist, der auf der Gitarre spielt und Metallschmetterlingen Flügeln verleiht, und Andreas, der sich danach sehnt, trotz allem als Persönlichkeit mit Profil angenommen zu werden, befinden sich im Auge des Sturms. Um sie herum hat sich eine Stille gelegt, die bedrückt. Jenes Schweigen zu durchbrechen, darin besteht die (letzte) große Herausforderung. Dieses Arrangement wird durch eine Reihe von nahestehenden Figuren ergänzt, deren jeweilige Blickwinkel auf die Situation nicht minder intensiv sind. Damit entsteht ein reales Spannungsfeld der unterschiedlichen Auseinandersetzungen mit dem Schmerzhaften, mit dem Unvermeidbaren.

Mittels ihres unkomplizierten, geradlinigen Erzählsstils spricht die Autorin an. Nicht nur die junge Zielgruppe. Unaufdringlich, aber dennoch deutlich vernehmbar konfrontiert Elin Bengtsson mit wichtigen Fragen über Leben, Abschied und Tod. Jeder nimmt auf eine ganz persönliche Weise Abschied: Die einen laut und schillernd, die anderen zurückgezogen und in sich gekehrt. Die Wahl liegt bei jedem selbst.

Die Funktion des Mittlers, welche das Buch einnimmt, ist keinesfalls zu verkennen. Im Gegenteil, Elin Bengtsson tangiert ein emotionales Minenfeld auf recht feinsinnigem und zugleich bestimmtem Wege. Dazu gehört es vielleicht auch, hauptsächlich die Oberfläche anzukratzen und übrige Tiefenschärfe dem Leser selbst zu überlassen.

In der Summe ein Jugendbuch, das Anstoß gibt, als Familie über die verschiedenste Ausgefülltheit des Lebens und auch dessen Endlichkeit nachzudenken.

FZIT: Deutlich. Bedacht. Zerrissen.


Donnerstag, 27. November 2014

[Rezension] Auf Umwegen ins Herz (Sarah Saxx)

Sarah Saxx: Auf Umwegen ins Herz 

Eines ist gewiss: Sarah Saxx weiß, wie sich Herzen zum Stolpern bringen lassen. Bereits mit ihrem ersten Roman hat die österreichische Autorin das uneingeschränkt unter Beweis gestellt.

Ein herzliches Dankeschön an Sarah Saxx, die auf mich zukam und mir ihr Debüt in eBook-Format großzügig als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat!

Cover: Sarah Saxx


~ Rezension ~

Kennt das Herz ein Aber?

Aus Jana und Julian hätten eines dieser Paare werden können, dessen gemeinsame Zukunft aus der einen großen Jugendliebe erwachsen ist. Aber dann machte Julian vor fünfzehn Jahren einen folgenschweren Fehler, der Jana zutiefst verletzt zurückließ. Bis heute. Denn als Julian noch einmal den Kontakt zu ihr sucht, ist sie nicht nur überrascht, sondern fühlt sich der Situation schlichtweg (noch immer) nicht gewachsen. Was erhofft sich Julian nach all der Zeit? Was erwartet er von Jana? Mit einer Last an unbeantworteten Fragen im Gepäck und klopfendem Herzen willigt sie schließlich zu einem einzigen letzen Treffen ein. Doch was sie dort erwartet, kommt mehr als unerwartet ...

Sarah Saxx' Roman Auf Umwegen ins Herz erzählt die Geschichte einer Liebe, die nie eine faire Chance hatte, der Welt zu zeigen, wie stark sie möglicherweise hätte sein können.

Jana und Julian sind ein Protagonistenduo, das ein Dauerticket für die Achterbahn der Gefühle gelöst hat. Mal nähern sie sich einander sensibel an, dann wieder reißt sie ein unerwarteter Looping aus der Bahn und der Zweifel, ob der Sicherheitsgurt in Gestalt neu gewonnen Vertrauens tatsächlich hält, nagt an ihnen — vor allem an Jana. 
Während ich die Grundidee des Romans, nämlich das unvorhersehbare Wiedersehen einer längst vergangenen, aber nie vergessen Liebe, durchweg als vorzüglichen Aufhänger empfand, war Janas nicht selten überdurchschnittlich präsente Theatralik doch leicht gewöhnungsbedürftig. Jedoch sind es vielleicht gerade ebenjene Akzente, die das innere und äußere Konfliktpotential schärfen und damit den sich entwickelnden Spannungsbogen entscheidend aufwerten.

Sehr angenehm liest sich das Buch auch, weil es der Autorin gelungen ist, ihre Charaktere und deren Werdegang weniger pompös, dafür umso natürlicher auszugestalten. Möchte heißen, kein exzentrisches Getöse, sondern vielmehr ein geerdetes Abziehbild realer Möglichkeiten wird dem Leser aufgezeigt.

Obgleich es sich bei dem Roman eher um eine leichte und behaglich zu lesenden Unterhaltungslektüre handelt, so ist die zwischen den Kapiteln versteckte Grundaussage keineswegs zu unterschätzen. Diese reflektiert den Umgang mit verlorenem Stolz und gebrochenem Herzen ebenso wie die Bereitschaft, eine zweite Chance zu geben. Das Bewusstsein, dass das Ende der eigenen Geschichte nicht immer dem Happy End aus dem Märchenbuch gleichen muss, um bekömmlich zu sein, wird hierbei gestärkt.

Insgesamt ein Roman, dessen Gefühlsbetontheit einer Stange Dynamit gleicht. Die Frage, ob nun Glücksfeuerwerk oder eher Rauchwolken inmitten eines tristen Schutthaufens, beschäftigt bis zur letzten Seite. 

FZIT: Brodelnd. Wankend. Bewegt.



P.S.:
Hier für euch der Trailer zum Buch