"Wer bereits als Kind die Welt zwischen den Zeilen für sich entdeckt, geht auch später gern als Abenteurer durchs Leben." {Creativity First}

Mittwoch, 20. November 2013

[Rezension] Slow Food Genussführer Deutschland 2014

Slow Food Deutschland: Slow Food Genussführer 2014 

Tiefkühlpizza, Hamburger, Kaffee zum Mitnehmen — all diese Raffinessen suggerieren Bequemlichkeit. Das klein wenig Bequemlichkeit, das uns gerade recht zu kommen scheint, da wir doch sonst stets die Siebenmeilenstiefel geschnürt haben und auf dem Sprung sind. 
Doch macht es wirklich Spaß, in steter Eile und hektischer Anonymität zu essen und zu trinken? Wäre es nicht viel angenehmer, viel gesünder, viel erstrebenswerter mit etwas mehr Wertschätzung, ein wenig mehr Zeit und einer Prise Überzeugung einen Gang zurückzuschalten und sich mit dem Genuss gleichzeitig ein Stück Lebensqualität zurückzuerobern? 
Darin besteht der wahre Luxus. Nicht im Sich-zwischen-Tür-und-Angel-Gönnen-könnenden Stehimbiss!
Es ist wunderbar, dass uns mit dem Genussführer von Slow Food Deutschland ein Navigationssystem durch die variantenreiche, einheimische Küche gegeben wird. Anderseits ist es schon ein wenig traurig, dass uns in vielen Fällen Werte wie Genuss, Sinnlichkeit und Qualitätstbewusstsein auf dem Weg hin zur weltgewandten Gesellschaft verloren gegangen sind. Zeit, für etwas köstliche und bewusst gelebte Entschleunigung!
Besten dank auch dem Oekom Verlag für das zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar des Genussführers!

[Bildquelle: Oekom Verlag]


~ Rezension ~

Über den Tellerrand hinaus

Als Ende der 1980er Jahre in Italien eine Gruppe leidenschaftlicher und überzeugter Gourmets rund um Carlo Petrini als Gegenkraft zur verstärkt gelebten Fast-Food-Philosophie für einen Genuss, der Traditionsbewusstsein und Finesse verkörperte, plädierten, sollte dies der Grundstein einer Bewegung sein, die 25 Jahre später mehr denn je im Fokus stehen würde: Slow Food.
Eine Kochkultur, welche Wertschätzung der Ressourcen, den unverfälschten Eigengeschmack der Zutaten, die Saisonalität und Regionalität zubereiteter Gerichte sowie eine Passion für geselliges Miteinander betont, spiegelt die Slow-Food-Eckpfeiler wider, die auch in diesem Genussführer appetitlich aufgegriffen werden. Ein Gasthausführer, dem das Sprichwort "Wieso in die Ferne schweifen, das Gute liegt so nah" wie auf den Leib geschrieben ist.

Der Slow Food Genussführer Deutschland 2014 ist ein Handbuch, das wie gemacht ist für Menschen, die gern gesund, köstlich und gut Essen gehen. In Zeiten der Internationalisierung und Globalisierung entspricht dieses Buch einem Fingerzeig, der auf die Rückbesinnung unserer kulinarischen Wurzeln hinweist.

Auf mehr als 300 Seiten werden in diesem Genussführer bundesländerweise Gasthäuser und Restaurants aufgeführt, die es sich auf die Fahne geschrieben haben, die Denke der Slow-Food-Bewegung zu leben und an den Gast weiterzugeben. Die kulinarischen Wertigkeiten der vor Ort servierten Speisen wurden in übersichtlicher Kompaktheit aufbereitet und dem Leser nun sozusagen auf dem Silbertablett serviert.

Absolut bemerkenswert finde ich die Tatsache, dass sämtliche Daten und Erfahrungen in filigraner Kleinstarbeit durch zahlreiche bundesweit ehrenamtlich engagierte Slow-Food-Vertreter zusammengetragen worden sind. Aus Überzeugung. Als Beitrag für eine bewusster handelnde, essende und schlussendlich genießende Gesellschaft. 

Der Informations- und Detailreichtum dieses Handbuchs ist beachtlich und reicht weit über den Tellerrand am Mittagstisch hinaus. Es werden die Menükarten samt geschmacklicher Umsetzung der einzelnen Lokale bildhaft, aber im präzisen Schlagwortstil beschrieben. Doch ebenso wird auf eine Ganzheitlichkeit der Berichterstattung geachtet, indem beispielsweise Liefer- und Produktionsketten beleuchtet, erreichte Zertifizierungen erwähnt und Optimierungspotentiale hervorgehoben werden.

Alles in allem ein mit gelebter Passion für exzellente regionale Küche ausformuliertes Handbuch, dessen Botschaft von hoher Aktualität und Wichtigkeit ist. Denn um exquisite Speisen und hervorragende Hausmannskost zu kreieren, bedarf es oft gar nicht viel mehr als ein wenig mit Herz und Verstand genommene Zeit und Bereitschaft, sich etwas tatsächlich und in allen Facetten auf der Zunge zergehen zu lassen.

FZIT: Appetitlich. Inspirierend. Wegweisend.